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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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heraus; Carl hatte den stereotypen Gerüchten der deutschen Linken, die deutsche Polizei wende ausgeklügelte Foltermethoden an, nie Glauben geschenkt.
    Fazit war bisher: ein festgenommener Terrorist, wenn auch rein zufällig und überdies in der Bundesrepublik, zwei libanesische und ein palästinensischer Hasch-Verkäufer und Hehler, zwei festgenommene schwedische Palästina-Aktivisten, die man wegen eines unbedeutenden Rauschmittelbesitzes und des Besitzes einer gestohlenen Stereoanlage geschnappt hatte, eine schwedische Apothekenhelferin, festgenommen wegen Besitzes zehn kriegerischer kleiner Souvenirs, sowie ein festgenommener schwedischer Terroristen-Sympathisant und Besitzer einer Schrotflinte von 1910, ferner sieben in Verwahrung genommene politische Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, die mit dem Ganzen überhaupt nichts zu tun hatten. Bei der Sache selbst ging es um die Frage einer Terroraktion unter dem Codenamen Plan Dalet sowie um den Zusammenhang zwischen Plan Dalet und dem Mord an einem hohen schwedischen Sicherheitsbeamten.
    Und in dieser Sache hatte es den Anschein, als wären alle Festnahmen vergeblich gewesen, sofern man sich nicht auf eine Verbindung Hedlund/Bundesrepublik verließ, aber es war ein allzu optimistischer Gedanke, daß sich daraus etwas ergeben könnte.
    Carl war zutiefst erleichtert, der Kleinarbeit, dem Herumtappen und der im Sande verlaufenden Denkarbeit im Polizeihaus auf Kungsholmen entronnen zu sein. Die Maschine überflog gerade ein Wolkenfeld; er knabberte pflichtschuldigst an den Putenfleischscheiben und ließ sich eine kleine Flasche »Gratis«-Champagner der Marke Pommery bringen. Als junger Geschäftsmann flog er Euroclass und sah auch wie ein solcher aus.
    Maßanzug, Krawatte und dazu ein Aktenkoffer in Bordeuxrot. Nichts an seinem Äußeren oder seinem Gepäck deutete auf etwas anderes hin, als daß Carl Hamilton ein junger Mann aus der Computerbranche war. Nach sorgfältigem Überlegen hatte er jede Form von Bewaffnung in Schweden zurückgelassen. Erstens würde er auf zwei der Terrorismusgefährdetsten und am besten kontrollierten Flughäfen der Welt landen, Athen und Beirut - ein Problem, das man höchstwahrscheinlich irgendwie hätte lösen können -, und zum andern war er auf dem Weg in eine Stadt, die sich im Kriegszustand befand. Dort war eine zivile Identität ein besserer Schutz als Waffen.
    Er versuchte, abzuschalten und an andere Dinge zu denken als an die, mit denen er sich jetzt eine Woche lang, die ihm wie ein Monat vorkam, ununterbrochen beschäftigt hatte. Er lehnte sich zurück und reiste in Gedanken nach Kalifornien, diesem gigantischen Vergnügungspark. Er sah Tessie vor sich, als sie sonnengebräunt und mit ein paar weißschimmernden Fischen auf der Harpune aus dem Wasser stieg.
    Tessie O’Connor mit dem breiten, weißen, amerikanischen Lächeln.
    University of Southern California, ein breiter, schaukelnder, offener Wagen in langsamer Fahrt an der Pazifikküste, Palmenalleen, die grauen Kriegsschiffe draußen in der Bucht, der salzige Wind, die Wellen, die Surfbretter, die schwierige, aber lustige erste Umstellung auf amerikanischen Football, diese Mischung aus Handball und Fußball mit einem guten Schuß erlaubter Rauhbeinigkeit; er war aber schließlich so gut geworden, daß man ihn im letzten Semester in die Universitätsmannschaft aufgenommen hatte.
    Tessie O’Connor mit dem breiten Lächeln unter den cheerleaders vor dem Match.
    Er hatte ihr nie etwas von seiner Neben-Ausbildung gesagt, hatte kein einziges Wort geäußert oder auch nur einen kleinen Hinweis verlauten lassen, keinem Menschen gegenüber. Ebensowenig hatte er sich jemals zu Streitigkeiten provozieren lassen, um seine Umgebung dann zu verblüffen.
    Das hatte das Verhältnis zu Tessie am Ende unerträglich gemacht; die Tatsache, daß er ständig abwesend war, ohne es ihr erklären zu können. Und was hatte er jetzt davon?
    In der Wirklichkeit, draußen bei der Feldarbeit, hatte er einer offiziell verdächtigen Person jetzt klare, ausführliche und gelinde gesagt indiskrete Informationen gegeben. Wenn er damals gewußt hätte, daß er das später einmal tun würde, hätte er Tessie alles erklärt. Er vermißte sie plötzlich sehr und schmerzlich.
    Er versuchte, die Erinnerung mit einem rationalen Argument wegzuwischen. Es hätte doch nie funktioniert. It wouldn’t work. Er mußte nach Schweden zurück; sie studierte Jura, was ihr in Schweden nichts genützt hätte. Hätte er aber in

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