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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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den USA bleiben können? Ein Job als Programmierer? Football-Profi? Nein, das hätte auch nicht funktioniert.
    Er versuchte, sich selbst von außen zu sehen, als säße er neben sich.
    Adretter junger Mann mit guter Ausbildung, in guten Verhältnissen lebend, linke Vergangenheit, die ihm wahrscheinlich nicht anzumerken war. Auf Geschäftsreise in den Nahen Osten.
    Und die Innenansicht? Adretter junger Mann, in guten Verhältnissen lebend, linke Vergangenheit, die ihm wahrlich nicht anzumerken war?
    Junger Reserveoffizier mit Spezialausbildung, der beim militärischen Nachrichtendienst hätte landen sollen, sich statt dessen aber bei einer paranoiden Sicherheitspolizei wiederfand, bei der er sich an der Jagd auf ehemalige Genossen beteiligte? Seine Mutter würde in ihrem Himmel wohl lächeln müssen, und sein vergrämter Vater, den er seit dem Bruch nicht wiedergesehen hatte (»Keine gottverfluchte Bolschewiken-Brut in meinem Haus«), würde seit vielen Jahren wohl zum erstenmal lachen.
    Nein, es war nicht wahr, das war ungerecht. Typen wie dieser Hedlund waren wahrlich keine Genossen. Und der Zweck des ganzen Unternehmens war, einen Mörder zu suchen und einer Terroraktion auf die Spur zu kommen.
    Näslund konnte diese vier Palästinenser aus dem Land werten, wann immer es ihm paßte. Darauf hatte Carl keinerlei Einfluß.
    Er ließ sich eine neue Viertelflasche »Gratis«-Champagner bringen, lehnte sich zurück, schloß die Augen und kehrte zu der Sonne zurück, die vor der kalifornischen Küste im Meer versank.
    Auf dem Athener Flughafen war der SAS-Flug zu Ende. Vor dem Schalter der Middle East Airlines in der Transithalle fand sich Carl in einem Chaos wieder. Die MEA war gegenwärtig die einzige Fluggesellschaft, die Beirut anflog. Die Maschine war kräftig überbucht, und vorn am Schalter drängte sich eine aufgebrachte, ziemlich gemischte Gesellschaft. In mindestens drei Sprachen gleichzeitig erklärten die Leute, warum sie unbedingt diese Maschine nehmen müßten. Immer wieder drängten sich in der Schlange andere Passagiere an Carl vorbei, aber er beschloß kühl zu bleiben und keinen Streit anzufangen. Als er endlich den Schalter erreicht hatte, passierte genau das, was er vorhergesehen hatte. Die Boden-Stewardeß warf einen schnellen Blick auf sein Ticket und erklärte bedauernd, die Reservierung sei zu spät erfolgt, die nächste Buchung sei erst für einen Flug in vierundzwanzig Stunden möglich, ob ihm das recht sei.
    Carl wurde nicht laut, aber bat darum, den Supervisor zu sprechen. Und als der irritierte männliche Vorgesetzte, dem sicher schon zwanzig Leute in den Ohren gelegen hatten, um Druck zu machen, nach einiger Zeit auftauchte, nahm Carl ihn behutsam beiseite und teilte ihm kurz mit, er sei ein schwedischer Polizeibeamter auf einer Dienstreise nach Libanon, wo er von der libanesischen Polizei gerade mit dieser Maschine erwartet werde. Er sei überzeugt, die Sache lasse sich ruhig und diskret ordnen, ohne jeden Streit.
    Carl überreichte dem Mann das Ticket und erklärte, er werde hinten in der Bar warten. Der Supervisor verschwand, still vor sich hinmurmelnd. Carl setzte sich in die Bar. Zum erstenmal hatte er das angenehme Gefühl, genau der zu sein, der er sein sollte: ganz allein im Einsatz und seiner Fähigkeit ausgeliefert, zu improvisieren und zu lügen, wenn gelogen werden mußte, und die Wahrheit zu sagen, wenn das erforderlich war. Er hatte seine griechische Pernod-Variante noch nicht einmal ausgetrunken, als eine Boden-Stewardeß der MEA mit seinem Ticket in der Hand erschien und ihm mitteilte, es sei alles in Ordnung.
    Als die Boeing 707 der MEA Zypern überflog, war der Himmel wolkenlos.
    Die Maschine kreiste lange über dem Libanon und dem Mittelmeer. Es war offenbar schwierig, eine Landeerlaubnis zu erhalten, aber der Kapitän teilte den Fluggästen über Lautsprecher nichts davon mit. Carl spürte, daß seine Arbeit näherrückte. Er hatte sich in die Lektüre der praktischen Tips der Petra Hernberg vertieft, die Appeltoft als Vernehmungsprotokoll getarnt hatte. Petra Hernberg hatte eine Menge anscheinend trivialer, aber doch sehr nützlicher Hinweise gegeben: wie das Flüchtlingslager Bourj el Barajneh bewacht wurde, wo die Tuberkulose-Station lag, wie man sich durchfragte, womit sich das Ärzteteam normalerweise beschäftigte, wenn nicht gerade Kriegszustand herrschte und Chirurgie am laufenden Band gefordert wurde, wo man am besten wohnte, welcher Angehörige der schwedischen

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