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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nächsten Straßensperre war die Miliz mit amerikanischen Waffen ausgerüstet, wie Carl feststellte. Vermutlich eine andere Gruppe als die vorige.
    »Schwede«, sagte Carl und durfte so gut wie augenblicklich weiterfahren.
    Als sie in die Stadt hineinkamen, sah alles viel schlimmer aus, als Carl es sich trotz eines Jahrzehnts Krieg in den Fernsehnachrichten hatte vorstellen können. Manche Stadtviertel erinnerten an Bilder, die er vom Zweiten Weltkrieg gesehen hatte. Es waren Gebiete, die mit amerikanischer, israelischer oder möglicherweise auch drusischer Artillerie beschossen worden waren. Aber auch in den wenigen Vierteln, die einigermaßen unbeschädigt aussahen, waren die Hausfassaden mit kleinen Kratern übersät, an denen unter dem Putz grauer Zement hervortrat, als litten die Häuser Beiruts an einer ansteckenden Krankheit, die einen Ausschlag zur Folge hatte.
    Als das Taxi die Hauptstraße Beiruts erreichte, die Hamra Street, landete es in einem Stau. Ringsumher herrschten Gedränge und Menschengewimmel, manchmal waren Ruinen zu sehen, manchmal nicht. Allmählich erkannte Carl, wo er sich ungefähr befand.
    »Ein guter Tag, heute nicht soviel Krieg«, erklärte der Taxifahrer.
    Als sie da waren, verlangte der Fahrer eine Summe, die mehreren hundert schwedischen Kronen entsprach, und Carl schien ihn fast zu schockieren, als er nicht zu handeln versuchte, sondern die entsprechende Summe in Dollar gab.
    »Du solltest es nicht bedauern, daß du nicht mehr verlangt hast, denn dann hätte ich gehandelt und dir nur die Hälfte geboten«, scherzte Carl zum Trost.
    Vor dem Eingang befand sich ein Schild mit dem schwedischen Staatswappen in Gelb und Blau und der königlichen Krone. Es war ein recht moderner Neubau, der einigermaßen unbeschädigt wirkte. Die Botschaft war in einem der Obergeschosse untergebracht. Im Treppenhaus landete Carl in einer Schlange von Libanesen und Palästinensern, die ihm mit Geldscheinen in den Händen Angebote machten, schwedische Visa zu kaufen. Soweit Carl verstand, betrug der reguläre schwarze Preis, den man in der Schlange erwartete, tausend Kronen, aber mancher war auch bereit, bis zum Doppelten zu gehen. Soweit Carl sich erinnerte, waren schwedische Visa gratis. Saß da jemand in der Botschaft, der private Visum-Geschäfte machte?
    Ein Telex des Stockholmer Außenministeriums hatte Carls Ankunft angekündigt, und ein rangniedriger Diplomat war über die normale Bürozeit hinaus geblieben, um ihn in Empfang zu nehmen. Dem recht jungen, recht wohlgenährten und recht hochmütigen Botschaftssekretär war anzusehen, daß ihn Carls Anliegen nicht im mindesten interessierte. Er war jedoch offenkundig derjenige, der sich um die Schweden zweiter Klasse zu kümmern hatte, die sich nur in Beirut aufhielten, um in den Flüchtlingslagern zu helfen.
    An der Wand über dem Schreibtisch des jungen Diplomaten hing ein großes Farbposter mit einem Motiv aus Dalarna, komplett mit Maibaum und allem.
    Außerdem siezte ihn der Diplomat, was in Schweden im täglichen Umgang meist nicht üblich ist.
    »Diese Personen, die Sie hier suchen, werden die eines Verbrechens verdächtigt?« fragte der Diplomat mit einer leicht verächtlichen Betonung des Wortes Personen.
    »Nein, aber es ist wichtig für uns, daß ich sie sprechen kann. Am liebsten würde ich wissen, wo sie wohnen«, entgegnete Carl kurz angebunden.
    »Darf ich fragen, worum es geht? Das macht die Sache vielleicht leichter?«
    »Nein. Es geht um eine Angelegenheit des Sicherheitsdienstes. Ich kann nur sagen, daß sie keineswegs irgendwelcher Verbrechen verdächtigt werden.
    Weißt du, wo sie wohnen? Kann ich sie sozusagen privat erreichen, ohne erst ins Lager Bourj el Barajneh fahren zu müssen? Ich möchte möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen.«
    Carl hatte schon jetzt das sichere Gefühl, daß ihm die schwedische Botschaft kaum begeisterte Hilfe leisten würde.
    »Personen dieser Art haben ja etwas ungenaue Adressen, und wir haben im Grunde kaum Kontakt mit ihnen. Natürlich, wir wissen, wer sie sind und wie viele es sind, trotz allem sind es ja Schweden.«
    »Ihre privaten Adressen hast du also nicht?«
    »Nein, leider nicht.«
    »Ich muß sie also da draußen im Flüchtlingslager suchen?«
    »Es scheint so, ja.«
    »Wenn ihr aus irgendeinem Anlaß den Auftrag erhieltet, alle Schweden in Beirut zu evakuieren, würdet ihr diese Helfer also nicht erreichen können?«
    »Ist dies eine Art Verhör?«
    »Nein, durchaus nicht. Ich bin nur

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