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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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neugierig geworden.
    Denn trotz allem, wie du schon sagtest, sind sie ja Schweden. Ihr seid doch für ihre Sicherheit verantwortlich?«
    »Hier im Libanon ist jeder Reisende selbst für seine eigene Sicherheit verantwortlich. Sollte aber eine Evakuierung aktuell werden, rechnen wir damit, daß die Leute sich von selbst melden, falls sie interessiert sind.«
    Carl resignierte. Eigentlich war er schon jetzt zum Gehen bereit, aber er hatte strikte Anweisung, noch etwas vorzubringen.
    »Mein Auftrag ist so geartet, daß ich in Gefahr geraten kann. Ich möchte ein paar Telefonnummern haben, unter denen ich euch zu jeder Tageszeit erreichen kann.«
    »Hier arbeiten wir während der Geschäftszeit wie auch sonst in der Verwaltung, und das gilt auch für die Polizei«, entgegnete der junge Diplomat hochmütig. Carl verspürte ausnahmsweise eine fast körperliche Aggressivität, bekam handfeste Lust, dem vor ihm sitzenden Taugenichts eins aufs Maul zu geben. Aber er beherrschte sich etwa so gut, wie man es ihm beigebracht hatte.
    »Ich glaube, du hast nicht ganz verstanden, was ich gesagt habe«, sagte er sanft. »Ich bin nämlich im Auftrag des Sicherheitsdienstes der Schweden, Goten und Wenden hier, und dieser Auftrag kann mich nicht nur in Gefahr bringen, sondern könnte auch für euch an der Botschaft ein Inferno bedeuten, falls mir etwas Unangenehmes zustößt. Also, her mit den Telefonnummern und Namen, die ich brauche, und dann sag mir gefälligst, in welchem Hotel ich wohnen sollte.«
    Eine halbe Stunde später schrieb sich Carl in einem mittelgroßen Hotel namens Plaza ein, das an einer Querstraße der Hamra Street lag und das wie andere noch immer geöffnete Hotels in Beirut über reichlich freie Zimmer verfügte.
    Anschließend verbrachte er kurze Zeit damit, sich im dritten Stock zu orientieren. Er sah sich um, ob und wo sich Notausgänge befanden, welche Balkons miteinander in Verbindung standen, wie die Türschlösser funktionierten sowie nach anderen Dingen, die sich im Ernstfall als nützlich erweisen konnten.
    Dann setzte er sich eine Stunde hin, um ein letztesmal seine Aufzeichnungen zu memorieren. Die Notizblätter verbrannte er und spülte sie dann nacheinander ins Klo. Danach verstreute er sein mitgebrachtes Material, Computer-Broschüren und Geschäftspapiere im Zimmer, merkte sich genau, in welcher Ordnung die Papiere dalagen, befestigte zehn Zentimeter über dem Fußboden ein Haar an der Tür, verließ das Hotel und fand sehr schnell ein Restaurant, das eine genauso wunderbare kleine libanesischfranzösische Mahlzeit servierte, wie es lange vor Kriegsausbruch üblich gewesen war. Es gab sogar noch reichlich von dem besonderen libanesischen Rosewein, an den er sich in dem Moment erinnerte, in dem er die Flasche sah. Beim Essen hörte er aus der Dunkelheit, wie in der Ferne Schußsalven abgefeuert wurden. Da sich aber keiner der Restaurantgäste im mindesten darum zu kümmern schien, zog er daraus den einfachen Schluß, daß alles so war, wie es sein sollte.
    Der Taxifahrer weigerte sich, näher als auf zweihundert Meter an das Lager Bourj el Barajneh heranzufahren. Dort befand sich offenbar die Straßensperre einer Miliz, die ihm nicht behagte. Carl stieg aus, bezahlte und konnte ohne größere Schwierigkeiten mit seiner Erklärung passieren, er sei ein schwedischer Arzt und wolle im Lager Bekannte treffen.
    Anschließend fragte er sich schnell zu dem skandinavischen Krankenrevier durch.
    Die Menschen wohnten in kleinen, weißverputzten Betonschuppen, die wie weiße Würfel aussahen. Carl sah meist schwarzgekleidete Frauen, die fast ausnahmslos etwas trugen, große Konservendosen mit Wasser auf dem Kopf, Körbe mit Obst oder anderen Dingen, die man nicht sehen konnte, Kinder in Bündeln, Tragetaschen aus Netzkunststoff, die von Schuhen bis zu Ziegelsteinen alles enthalten konnten. Er sah nur wenige junge Männer und keine bewaffneten Milizionäre. Im Verlauf weniger hundert Meter rechnete er aus, daß er die Wohnungen von mehreren tausend Menschen passiert haben mußte.
    Die Krankenstation bestand aus drei weißen, hintereinanderliegenden Hauswürfeln. In dem ersten Raum, den er betrat, saßen schwarzgekleidete Frauen. Einige hatten farbenprächtige palästinensische Stickereien um Hals und Brust, einige waren mit, einige ohne Kinder gekommen, und warteten mit der im Nahen Osten üblichen unerschütterlichen Geduld. Eine Frau hielt ihn für einen Arzt, sprang sofort auf und hielt ihm unter einem Strom

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