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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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von Worten einen Säugling mit feuchten, fiebrigen Augen hin. Er konnte nur verlegen und in einem Englisch, das sie nicht verstand, erwidern, er sei kein Arzt und flüchtete sich dann schnell zu einem palästinensischen Mädchen in Schwesterntracht, die an dem einzigen Tisch des Raums saß. Auf den Wandbänken saßen nur wartende Patienten. Carl sagte, ohne sich vorzustellen, er sei Schwede und suche Dr. Gunnar Bergström.
    Sie bat ihn zu warten, während sie in ein angrenzendes Haus ging. Er stand mitten im Zimmer, ohne zu wissen, wohin er sollte. Alle Sitzplätze waren besetzt. Er stellte sich an die Tür und wies mit Nachdruck die Angebote einiger Frauen zurück, die aufstehen und ihm ihren Platz anbieten wollten.
    Ein dunkler, zartgliedriger Mann in weißem Kittel, der etwa zehn Jahre älter war als er selbst, trat ein und zog sich gleichzeitig ein paar Gummihandschuhe aus.
    »Ich habe gerade eine Frau entbunden; es war eine ungewöhnlich schwere Geburt«, war seine Begrüßung.
    Sie gaben sich die Hand. Carl sah sich um und ging davon aus, daß außer ihnen niemand schwedisch sprach.
    »Ich komme von der schwedischen Sicherheitspolizei. Ich brauche deine Hilfe und möchte mit dir sprechen, sobald du Zeit hast«, begann Carl ohne Umschweife.
    »Ich muß in einer Viertelstunde operieren, ich weiß nicht … Hilfe wobei?«
    Der Arzt blickte Carl zweifelnd an.
    »Weder du noch sonst jemand hier ist eines Verbrechens verdächtig, laß mich das ganz schnell sagen, damit es keine Mißverständnisse gibt. Wir brauchen wirklich Hilfe. Wann hörst du auf zu arbeiten?«
    »Ich kann in etwa drei Stunden aufhören, wenn es wichtig genug ist. Und das ist es offensichtlich?«
    »Ja. Können wir uns irgendwo treffen, vielleicht in dreieinhalb Stunden bei Wimpy’s in der Hamra Street?«
    »Ich kann schon hören, daß du Schwede bist. Aber du mußt verstehen, daß das ein etwas komischer Vorschlag ist. Wie heißt du, und woher soll ich wissen, daß du bei der Säpo bist?«
    »Ich habe einen Brief bei mir, einen Brief von jemandem, den du kennst. Du kannst einen bestimmten Idioten in der schwedischen Botschaft anrufen und dir bestätigen lassen, daß jemand vom Sicherheitsdienst mit dir sprechen will, aber ich will meinen Namen nicht nennen. Reicht das?«
    »Darf ich mal den Brief sehen?«
    Sie führten ihre Unterhaltung in leisem und alltäglichem Ton. Die anderen Menschen im Raum mußten den Eindruck gewinnen, daß zwei Ärzte sich in leicht besorgtem Ton unterhielten. Vielleicht waren wieder bestimmte Medikamente ausgegangen.
    Der Brief Erik Pontis war sehr kurz und auf Geschäftspapier von Sveriges Radio geschrieben. Carl hatte ihn wie vereinbart in einem Umschlag erhalten, der an Fristedt adressiert war. Das Schreiben lautete:
    Hej Gunnar, ich habe gute Gründe anzunehmen, daß der Landsmann von der Säpo, der dich in Beirut mit diesem Brief in der Hand sucht, deine Hilfe braucht. Mach das Beste daraus, denn es kann wichtig sein und in deinem wie in meinem Interesse liegen.
    Erik Ponti »Okay«, sagte der Arzt. »Dies ist ja ein sehr alter Bekannter von mir, dem ich vertraue. Also bei Wimpy’s in der Hamra?«
    Sie gaben sich die Hand und verabschiedeten sich.
    Carl machte einen langen Spaziergang mit dem Jackett über der Schulter.
    Die Luft war lau wie an einem schwedischen Frühlingstag. Er spazierte die Strandpromenade an der Corniche entlang, an die er sich als an die Paradestraße erinnerte, die einen in Beirut fast an die französische Riviera denken ließ. Jetzt waren große Teile der Corniche durch Wellblechhütten entstellt; hier lebten Flüchtlinge, die aus Flüchtlingslagern oder zerbombten Stadtteilen geflüchtet waren, Palästinenser und moslemische Libanesen durcheinander. Die privaten Strandbäder hatten sich auch in Hüttenstädte verwandelt. Carl meinte, vor allem ein Bad wiederzuerkennen, in dem er und die Genossen einmal gesessen und darauf gewartet hatten, zum Informationschef der PLO Zutritt zu erhalten. Sie hatten Seeigel gegessen und gegrillte Krabben à la provençale. Ein Restaurantschild mit abgeblätterter Farbe hing immer noch da.
    Eine halbe Stunde später war er auf der Uferstraße bis in die Stadt gekommen, bis zu dem Gebäude, das einmal das St. George Hotel gewesen war. Dort hatten sie sich eines Tages frech Einlaß verschafft und direkt von der Hotelterrasse aus im Meer gebadet. Jetzt war das gesamte Gebäude eine schwarze, verbrannte Ruine ohne Fenster. Das Sprungbrett war unbeschädigt

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