Coq Rouge
Hilfsarbeit, und folglich würde er dasitzen und bohrende Fragen stellen, und folglich würde der zartgliedrige Arzt dann glauben, daß es sich in Wahrheit um ein verdecktes Verhör handelte.
»Okay«, sagte Carl und legte einen Geldschein auf den Tisch. »Dann trennen wir uns jetzt. Ich hoffe, es klappt, und wenn es klappt, wirst du sicher auf die eine oder andere Weise von dem Ergebnis erfahren. Wenn ich in zwei Tagen noch nichts gehört habe, muß ich dich wieder aufsuchen.
Wollen wir so verbleiben?«
Als Carl aufstand und in das zunehmende Gedränge auf der Hamra Street hinaustrat, blieb der Arzt reglos sitzen und blickte in sein Bierglas. Carl hatte trotzdem das Gefühl, daß er die Verbindung tatsächlich herstellen würde. Carl suchte sich ein kleines orientalisches Restaurant und aß Schwarma in Pita-Brot mit Salat und Öl. Anschließend spazierte er ziellos auf den Straßen um die Hamra Street herum, bis er vor einem Kino stand, in dem der Film Amadeus gezeigt wurde. Dort verbrachte er gut drei Stunden.
Der Film war arabisch synchronisiert, aber die Musik war immer noch die gleiche. Er kannte den Film schon, und es war ein bemerkenswert bezauberndes Erlebnis, Mozart arabisch sprechen zu sehen und zu hören.
Als er den Schlüssel ins Schloß seines Hotelzimmers stecken wollte, entdeckte er, daß jemand die Tür geöffnet hatte. Carl zögerte und machte eine intuitive Bewegung auf das leere Versteck zu, in dem sein Revolver hätte stecken sollen. Er holte tief Luft und betrat sein dunkles Hotelzimmer.
Er spürte einen schwachen, fremden Duft, bevor er das Licht anmachte und sich überraschen ließ. Es saßen zwei Personen im Zimmer, ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren mit rauchgefärbten Brillengläsern und eine zehn Jahre jüngere schwarzhaarige Frau in westlicher Kleidung, die eine Colt Automatic auf Carls Magengegend richtete. Beliebte Marke, dachte er, blieb mitten im Zimmer stehen und öffnete mit langsamen, deutlichen Bewegungen seine Wildlederjacke in beide Richtungen.
»Ich bin unbewaffnet«, sagte er.
»Ich heiße Michel, und das ist Mouna«, sagte der Mann mit den rauchgefärbten Brillengläsern leise, »du wolltest uns treffen, und jetzt hast du Gelegenheit dazu.«
Carl zeigte auf das Bett, und der Mann nickte. Carl setzte sich, nachdem er die Jacke auf einen Stuhl geworfen und sich die Schuhe ausgezogen hatte.
»Und woher soll ich wissen, wer ihr seid?« fragte er.
Der Mann, der sich Michel nannte, hielt einen kleinen weißen Briefumschlag mit dem regenbogenfarbenen Monogramm von Sveriges Radio hoch. Es war der Brief Erik Pontis.
»Gut«, sagte Carl, »mein Name ist Carl Hamilton, und ich bin Angestellter des schwedischen Sicherheitsdienstes. Ich bin hier, um euch offiziell, oder wie sollen wir es nennen, zwar offiziell, aber diskret, um Hilfe zu bitten.«
Der Mann, der sich Michel nannte, gab seiner Begleiterin mit einer Kopfbewegung ein Zeichen, die die Pistole daraufhin in ihre Handtasche steckte.
»Ja, wir hören«, sagte Michel, »aber laß mich sicherheitshalber darauf hinweisen, daß du das Zimmer nicht plötzlich verlassen kannst und daß du am besten auf dem Bett sitzenbleibst. Das nur, um bedauerliche Mißverständnisse zu vermeiden.«
Carl nickte. Er fand ihr Auftreten sympathisch und korrekt. Es war ein befriedigendes Gefühl, daß sein Gegenüber sich kompetent verhielt.
»Ich möchte Abu al-Houl treffen«, sagte er geradeheraus. Das Mädchen riß die Augen auf, beherrschte sich aber schnell. Der Mann, der sich Michel nannte, verzog keine Miene.
»Und warum?« fragte er nur.
»Darf ich euch etwas aus dem Kühlschrank anbieten?« fragte Carl und fügte hastig hinzu: »Dort gibt’s nichts anderes als gekühlte Getränke.«
»Das wissen wir. Nein danke, zur Sache«, entgegnete der Mann, der sich Michel nannte, kurz, aber nicht unfreundlich.
Carl referierte die ganze Geschichte von Anfang bis Ende. Dann erzählte er, man habe bei der schwedischen Sicherheitspolizei den Schluß gezogen, daß wenn dies eine PLO- Operation sei, werde man vom Nachrichtendienst der PLO natürlich keine besonders erhellende Antwort erhalten. Aber wenn die PLO nicht dahinterstecke, was gegenwärtig tatsächlich am wahrscheinlichsten scheine, werde es möglicherweise besser aussehen. Überdies habe man von schwedischer Seite keinerlei Möglichkeit, die Herkunft einer in der Sowjetunion hergestellten Pistole zurückzuverfolgen, die in der syrischen Armee gelandet sei. Falls dies
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