Coq Rouge
unwahrscheinlich, daß man die Ausrüstungsgegenstände erschossener Soldaten wieder in normalen Umlauf brachte. Carl bohrte mit dem Zeigefinger in den Löchern und an den gestopften Stellen, und der Mann, der sich Michel nannte, las offensichtlich seine Gedanken.
»Das ist keine absichtliche Symbolik. Wahrscheinlich hatten sie nichts anderes zur Hand. Die Sachen haben einem amerikanischen Soldaten gehört, der hier in der Stadt gefallen ist«, erklärte er mit einer entgegenkommenden Freundlichkeit, die genauso komisch war wie die Freundlichkeit des Arztes mit der schwarzen Kapuze.
»Habt ihr ihn erschossen?« fragte Carl, während er sich die grünen Kleidungsstücke anzog.
»Ja, da wir seine Kleidung geerbt haben. Jedenfalls haben wir sie nicht von der US Aid bekommen. Nun. Jetzt, wo der erste Schritt erledigt ist, laß uns ein bißchen über deine Funktion beim schwedischen Sicherheitsdienst sprechen. Du bist ziemlich jung, um mal damit anzufangen?«
»Mein Alter geht aus dem Ausweis hervor.«
»Welche Funktion hast du beim Sicherheitsdienst, wozu bist du ausgebildet worden und worauf spezialisiert?«
»Darauf gedenke ich nicht zu antworten.«
»Dann kann ich dich zu einer Antwort zwingen.«
»Das glaube ich nicht einen Augenblick. Du fragst nach Geheimsachen des Königreichs Schweden.«
»Wir sollen also genötigt sein, die Unterhaltung unangenehm zu gestalten?«
Carl überlegte. Der Mann drohte ihm also damit, ihn foltern zu lassen. Was Carl nicht verraten wollte, war seine Spezialausbildung. Er hatte nicht die Absicht, irgendeinem Menschen militärische Geheimnisse Schwedens zu enthüllen.
Einerseits.
Wenn sie andererseits aber begannen, ihn zu foltern, würde die Zusammenarbeit, gelinde gesagt, erschwert, und wenn sie ihn zu sehr folterten, würden sie ihn kaum lebendig nach Schweden zurückkehren lassen.
»Ich habe hier unten nicht einmal den Schweden meinen Namen genannt, den ich euch immerhin gegeben habe. Mit meinem Namen könnt ihr aus zugänglichen Quellen in Schweden immerhin feststellen, daß ich Angestellter des Sicherheitsdienstes bin, auch wenn es etwas schwierig sein sollte, diese Angaben zu erhalten. Und außerdem wißt ihr es schon.
Überdies bin ich Leutnant der schwedischen Marine. Ich habe dort eine Ausbildung erhalten, die in etwa dem entspricht, was Marineinfanteristen in der ganzen Welt durchlaufen müssen. Ich bin unbewaffnet nach Beirut gekommen, habe euch selbst aufgesucht, um eure Zusammenarbeit zu erbitten, und mehr gedenke ich nicht zu sagen.«
»Bist du dir da sicher?«
»Ja, so sicher, wie man eben sein kann. Mir gefällt deine Drohung nicht, mich foltern zu lassen. Nicht so sehr weil es weh tut, sondern weil es unsere Zusammenarbeit zu einem totalen Fehlschlag machen würde.«
»Dir ist klar, daß wir dich ohne weiteres töten können?«
»Ja, natürlich. Aber das werdet ihr nicht tun.«
»Und warum nicht?«
»Wenn ich mit meiner Theorie recht habe, daß dieser Plan ein Plan dalet und kein Plan dal ist, haben wir ein gemeinsames Interesse. Solltet ihr einen schwedischen Sicherheitsbeamten getötet haben, habt ihr euch damit schon genug Ärger aufgehalst. Wenn ihr noch einen umbringt, und mein Verschwinden in Beirut würde keine andere Schlußfolgerung zulassen, würde alles nur noch schlimmer. Der Preis, den ihr bezahlen müßtet, wäre zu hoch. Außerdem würdet ihr eure schwedischen Sympathisanten, die den Kontakt vermittelt haben, in eine teuflische Lage bringen. Man würde sie nämlich wegen eines Verbrechens vor Gericht stellen. Ich bin sicher, daß du das alles begreifst. Also können wir mit diesem Gruseltheater aufhören.«
»Gut!« sagte der Mann, der sich Michel nannte, »sehr gut! Ich fange tatsächlich an, dich zu mögen. Dann wollen wir mal die Folter sein lassen.«
Das letzte sagte er mit einem plötzlich aufplatzenden Lächeln. Dann wurde er wieder ernst.
»Wir wollen jetzt mal praktisch sein«, fuhr er fort. »Du wirst also mit oder gegen deinen Willen noch eine Weile hierbleiben. Welche Probleme könnten sich ergeben, die wir nicht vorhergesehen haben, beispielsweise bei der Botschaft?«
»Keine, ich operiere unabhängig von der Botschaft. Die werden mich nicht vermissen. Allerdings kann ich sie jederzeit anrufen, falls ich auf Probleme stoße. Das dürfte aber kaum das sein, was du in erster Linie im Auge hast.«
»Nein, wir haben uns schon bei der Botschaft erkundigt. Sie bestätigen - gegenüber einem Schweden, der sie angerufen hat -,
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