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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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machte.
    Näslund hatte in Hamburg tatsächlich einen sehr angenehmen Tag verbracht. Mochte die umfassende Aktion in Bremen und Hamburg auch nicht zu mehr führen, als daß man eineinhalb Terroristen hinter Schloß und Riegel brachte (eine weitere Person war inzwischen wegen unerlaubten Waffenbesitzes festgenommen worden), so hatten jedoch die vielen Dokumente und Aufzeichnungen einen klaren Fingerzeig ergeben, daß es gelungen war, eine ganze Gruppe von Sympathisanten einzukassieren, von denen man bislang nur vage Erkenntnisse gehabt hatte. Falls diese Gruppe ein potentieller Rekrutierungskader der deutschen Terroristen der dritten Generation sein sollte, hatte dieser Einsatz ihre Angehörigen jetzt wohl ein wenig abgekühlt. Was noch wichtiger war - wollte man sie jetzt eventuell für den Aufbau einer neuen Organisationsstruktur einsetzen, würde es höchst unangenehm sein, daß sie der Terroristenabteilung des Sicherheitsdienstes nachweislich bekannt waren. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, waren die westdeutschen Kollegen mit der Hilfe aus Schweden sehr zufrieden, und Näslund hatte einen mehr als herzlichen Empfang erhalten. Es hatte jedoch nicht den Anschein, als hätte man auch nur den kleinsten Hinweis auf eine Aktion in Schweden erhalten.
    Henrik P. Näslund fühlte sich trotzdem nicht sonderlich niedergeschlagen, als er gemeinsam mit zwei seiner westdeutschen Kollegen nach Paris weiterflog. Wegen des bevorstehenden Treffens in Paris hatte er den Weg über Hamburg gewählt, sein Besuch dort hätte sonst unmotiviert ausgesehen. Das Pariser Treffen war jedoch wichtig, es war nämlich eine der alljährlichen Zusammenkünfte der Kilowatt-Gruppe, und Näslund war guter Hoffnung, von mehreren der Chefkollegen beim Zwei-Tage-Treffen draußen in Versailles weitere Hinweise zu erhalten.
    Die Kilowatt-Gruppe ist ein informeller Zusammenschluß, der auf israelische Initiative hin zustandegekommen ist und der aus den Sicherheitsdiensten Norwegens, Dänemarks und Schwedens besteht, ferner aus den Spezialabteilungen beim holländischen, italienischen und belgischen Sicherheitsdienst, die sich mit Terrorismusbekämpfung befassen, dem »Zweiten Büro« des französischen Nachrichtendienstes DGSE, einer Abteilung, die sich zum einen mit Terrorismusbekämpfung beschäftigt, zum anderen mit dem, was in dem internationalen Berufsslang der Branche entweder als »Spezialoperationen« bezeichnet wird oder offener als dirty tricks.
    Großbritannien nahm wie gewöhnlich mit Leuten vom MI 6 wie vom MI 5 teil, ebenso Israel, das mit Mossad und Shin Beth vertreten war, sowie die Bundesrepublik Deutschland mit BND und Verfassungsschutz. Sowohl in Großbritannien wie in Israel kann man die Terroristenjagd nämlich unmöglich der einen oder anderen Organisation allein überlassen; die Tätigkeit der IRA in London etwa läßt sich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit als Aufgabe des MI 5 ansehen, während die mutmaßlichen Verbindungen der IRA zu Libyen oder mit anderen Aktivitäten in Europa in die Zuständigkeit des MI 6 fallen. In Israel ist es das gleiche: Die Terroristenbekämpfung ist ebensosehr eine Aufgabe des Sicherheitsdienstes Shin Beth wie des Nachrichtendienstes Mossad.
    Der Zweck der Kilowatt-Gruppe besteht also nicht so sehr darin, die europäischen und israelischen Terroristenjäger zusammenzukoppeln, denn das sind sie durch ihre tägliche enge Zusammenarbeit ohnehin. Die zweimaligen Treffen pro Jahr auf Chefebene, in der Regel in Paris, ergeben jedoch die Möglichkeit, taktische und strategische Überlegungen auszutauschen, ohne daß etwas schriftlich festgehalten oder in den Computern gespeichert wird, wie etwa die tägliche und bürokratisch fest etablierte Zusammenarbeit. Die Treffen haben auch den Vorzug, daß man das Besprochene den Politikern zu Hause vorenthalten kann.
    Der Chef von Büro B der schwedischen Sicherheitspolizei ist der ständige Vertreter Schwedens in der Kilowatt-Gruppe. So war es seit Näslunds Vorgänger im Amt gewesen. Dieser Mann hatte sich später gemeinsam mit dem pensionierten Reichspolizeichef Schwedens auf den expandierenden Exportmarkt für Schnüffeleigerät verlegt; man verkaufte schwedische Abhör und Computertechnik, die sicherheitspolitischen Bedürfnissen angepaßt war.
    Die schwedische Sicherheitspolizei ist natürlich nicht die gewichtigste Vertretung in einem Zusammenschluß, in dem die meisten anderen Organisationen mehr als doppelt so groß sind und vielfach größere

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