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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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zwar fest entschlossen, sich nicht hereinlegen zu lassen, und hatte die verstohlenen Warnungen in dieser Hinsicht ernstgenommen, aber ihre Sprachkenntnisse waren mangelhaft.
    Soweit sie sehen konnte, unterhielt sich aber ihr Begleiter völlig problemlos mit den Verkäufern.
    Er begleitete sie in ein Geschäft, in dem Araber die entzückendsten bestickten Decken verkauften, sie zum Sitzen einluden und Tee in kleinen Gläsern mit Minzblättern und viel zuviel Zucker anboten. In ihrem vorgerückten Alter vertrug sie keinen Zucker mehr, doch der junge Mann beschaffte ihr schnell ein neues Glas ohne Zucker.
    Der Tee schmeckte ein wenig wie Kaugummi, aber der junge Mann versicherte, das liege nur an dem grünen Minzblatt. Sie glaubte ihm und fühlte sich in seiner Gesellschaft völlig geborgen. Sie war beinahe mehr eifersüchtig als verwirrt, als er kurz darauf den arabischen Geschäftsführer fragte, ob er mal telefonieren dürfe.
    Carl stand in drangvoller Enge in einem Vorratsraum mit ledernen Sitzkissen, gestapelten Trick-track-Spielen und verstaubten, bestickten Kleidern mit einem uralten schwarzen Telefon in der Hand, das ein zur Hälfte abgescheuertes Kabel hatte, und führte ein Telefongespräch, das seine Phantasie an den letzten beiden Tagen fast ununterbrochen beschäftigt hatte. Er wußte, daß die Nummer zu einem Kibbuz in der Nähe von Kinneret bei Tiberias gehörte und daß der Kibbuz ein paar Autostunden entfernt war. Jemand nahm am anderen Ende ab und antwortete auf hebräisch. Carl hatte sich jede denkbare Wendung des Gesprächs vorgestellt, aber es schien gar nicht erst zustande zu kommen, da er kein Hebräisch konnte. Nachdem er jedoch auf englisch nach Shulamit Hanegbi gefragt hatte, hörte es sich an, als solle er warten. Es dauerte ein paar Minuten, und unterdessen erstarb auch dort draußen im Laden aus Mangel an gemeinsamen Sprachen die Konversation. Schließlich kam Shulamit außer Atem an den Apparat. Sie antwortete gleich auf englisch.
    »Hallo, Liebling, ich hatte das Gefühl, unbedingt kommen zu müssen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich nach dir gesehnt habe. Vielen Dank übrigens für deine Karte«, begann Carl.
    Am anderen Ende blieb es ein paar Sekunden still, bis sie antwortete.
    »Oh, Liebling, du ahnst gar nicht, wie ich mich nach dir gesehnt habe. Ich habe aber kaum zu hoffen gewagt, daß du dich losreißen und kommen könntest. Wieviel Zeit haben wir?« erwiderte sie in einem Tonfall, als meinte sie tatsächlich, was sie sagte.
    »Ich habe fünf Tage. Wollen wir zu dem Ort fahren, den du vorgeschlagen hast? Mir paßt es jederzeit, sowie du Zeit hast.«
    »Ich muß erst ein paar Dinge erledigen, aber übermorgen geht es. Wo bist du jetzt, in Jerusalem?«
    »Ja.«
    »Übermorgen im ersten Bus. Du darfst ihn nicht verfehlen, versprich mir das.«
    »Ich verspreche es.«
    »Es wird wunderbar. Ich muß noch einiges hinter mich bringen, du sicher auch, aber dann sehen wir uns also?«
    »Ja, endlich, ich freue mich genauso darauf wie du.«
    »Ich muß jetzt aufhören, aber wir sehen uns bald«, sagte sie und legte plötzlich auf.
    Carl blieb noch einige Augenblicke mit dem Hörer in der Hand stehen, bevor er stumm auflegte. Er erinnerte sich an jedes Wort, aber dem kurzen Gespräch ließ sich trotzdem nicht sehr viel entnehmen. Sie meinte den ersten Bus, im ersten Bus, von Jerusalem nach Eilat am ersten Weihnachtstag. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Er hatte keinen anderen Ort als Jerusalem genannt. In ihrer Ansichtskarte hatte sie Eilat geschrieben.
    Er trat wieder in den kleinen Laden hinaus, wo die schon etwas ungeduldige alte Dame und der etwas unangenehm berührte palästinensische Ladenbesitzer, der keinen Jönköpinger Dialekt sprach, auf ihn warteten.
    Jönköpinger Dialekt war möglicherweise eine der wenigen Sprachen, in denen er nicht verkaufen konnte. Carl kaufte eine bestickte syrische Tischdecke etwa der gleichen Art wie die der alten Dame, und anschließend wanderten beide auf den Steinplatten der Via Dolorosa weiter, vorbei an Cafes, Obstständen mit mageren Auslagen, ein paar Cafes und Souvenirgeschäften, in die man sie hineinzulocken versuchte. Als sie fast das Damaskus-Tor erreicht hatten, kamen sie zu einer Münzhandlung, in der auch Tonscherben und mehr oder weniger komplette Amphoren aus vermeintlich phönizischer Zeit verkauft wurden (wenn die Touristen nichtjüdisch aussahen, waren die Krüge »phönizisch«, sonst jüdisch). Frau Eivor Berggren

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