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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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war vermutlich meine Schuld, daß er uns entdeckte. Mich hat er wohl zuerst gesehen.«
    »Glaubst du, du hast einen Fehler gemacht?«
    »Ja, weil er mich entdeckt hat.«
    Mathiesen setzte die Brille auf und blickte zu Hestenes hoch. Er lächelte, aber durchaus nicht ironisch. »Du bist ein guter Polizist, Hestenes, das weiß ich. Das ist auch der Grund, warum du bei uns bist, aber ich finde nicht, daß du die Aktion als Mißerfolg ansehen solltest.«
    »Manches spricht aber doch dafür, daß wenn er uns nicht entdeckt hätte …«
    »Ja, und was? ›Der Sicherheitsdienst hat die Aufgabe, allen Verbrechen, soweit sie eine Gefahr für die Sicherheit des Reiches darstellen, vorzubeugen und ihnen entgegenzuwirken …‹ und so weiter. Das sind die ersten Zeilen in Paragraph 2 unserer Dienstanweisung. Was heißt das?«
    »Also vorbeugen und entgegenwirken …«
    »Jetzt nimm mal an, daß wir eine Bande palästinensischer Terroristen in der Stadt haben. Dann sind sie immerhin so qualifiziert, daß sie ins Land gekommen sind, ohne daß wir, die Israelis oder sonst jemand auch nur den kleinsten Hinweis darauf erhalten haben. Die Erkundung besorgt ein Skandinavier, der sich ungehindert in Oslo bewegt. Ich halte es für einen außerordentlichen Glücksfall, daß du ihn entdeckt hast. Denn wenn die Brüder im Hotel jetzt eine Aktion in Gang gebracht hätten, ja, etwa so, wie du es dir überlegt hast, ich habe nämlich dein kleines Memorandum mit dem Hinweis auf den Weg über das Reisebüro und die Feuerleiter gelesen, nun, was wäre dann passiert?«
    »Wir hätten sie vermutlich geschnappt.«
    »Erstens, bist du dir dessen sicher? Na ja, nichts wie ran mit der ganzen Anti-Terror-Truppe, mit kugelsicheren Westen und Maschinenpistolen und Tränengas und allem Material, natürlich. Aber um welchen Preis?«
    »Du meinst, uns hätte nichts Besseres passieren können?«
    »Ohne Zweifel.
    Geh mal davon aus, daß wir es hier mit sehr viel qualifizierteren Gegnern zu tun hatten als je zuvor in Norwegen, und dabei schließe ich diese verfluchten israelischen Mörder oben in Lillehammer ein. Also, Leute mit jahrelanger Kampferfahrung im Nahen Osten, bewaffnet mit Handgranaten und AK 47, sieben bis acht Mann, die in zwei Gruppen gleichzeitig ins Hotel eindringen. Wann hätten wir sie also geschnappt?«
    »Du meinst hinterher, wenn es zu spät gewesen wäre.«
    »Ja. Versuch dir mal vorzustellen, was das bedeutet hätte.«
    »Ja, aber, ich habe mein Objekt doch aus den Augen verloren.« Mathiesen stand heftig auf und leuchtete fast vor Energie und Irritation - er erinnerte Hestenes plötzlich an den Eislaufstar Hjallis Andersen -, ging zu dem Dokumentenstapel am kurzen Ende des Konferenztischs und zog eine Aufnahme des schwedischen Terroristen hervor. Dann setzte er seinen Weg um den Tisch herum fort und legte das Bild vor Hestenes. Anschließend ging er noch eine halbe Runde um den Tisch, so daß er Hestenes genau gegenüberstand, beugte sich vor und stützte sich mit beiden Fäusten auf.
    »Jetzt hör mal zu, Hestenes. Du hast den Drachen zu sehen bekommen, und betrachte das als eine gute Lektion und eine Erinnerung fürs Leben, und sei ja dankbar, daß der Drache dich nicht so unterschätzt hat wie du ihn. Unsere Aufgabe ist es doch, Terrorakten vorzubeugen, und diese Aufgabe haben wir heute glänzend gelöst. Aus diesem Grund ist es zu keiner Operation gekommen, und geh jetzt in dein Zimmer und schreibe deinen Bericht, damit die Schweden ihn bekommen, und untersteh dich, diesen Tag als Mißerfolg anzusehen.«
    Mathiesen blieb in der gleichen Haltung stehen und lächelte still vor sich hin, als Hestenes zu seinem Zimmer trottete. Ein guter Junge, dachte Mathiesen.
    Ein paar Minuten später saß Hestenes still in seinem Zimmer, vor sich auf dem Schreibtisch das Foto. Sein Zimmer war klein und trist, mit einer Aussicht auf die Rückseite des Polizeihauses und die Einfahrt zur Tiefgarage mit dem Lieferanteneingang.
    Der Mann auf dem Foto sah angenehm aus, ein norwegischer Frischluftfan.
    Aber, bildete sich Hestenes ein, da gibt es zwei völlig verschiedene Ausdrücke in den Augen dieses Mannes. Wenn man das linke Auge mit der Handfläche zudeckte, bekam das Gesicht einen humorvollen, sympathischen Ausdruck. Deckte man dagegen das rechte Auge zu, sah der Blick eiskalt aus. Dies war also ein Profi, den man nicht mal in einer Stadt wie Oslo verfolgen konnte, ein Profi, der seine Verfolger sogar begrüßte.
    Der Drache, dachte Hestenes, ich war

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