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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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man diese schwimmenden Hochhäuser im Finnland-Verkehr als Schiffe bezeichnen kann.
    Die Kälte vom offenen Fenster her begann zu schmerzen. Er schloß es und kleidete sich rasch mit völlig neuen Kleidern an, übersprang den Frühstückskaffee und ging ins Schneetreiben hinaus.
    Der Wagen stand nicht auf dem gewohnten Platz vor der Telegraphenstation gegenüber dem Königlichen Schloß. Er sah einen Augenblick auf seine nassen Halbschuhe hinunter und überlegte, ob er nach Hause gehen und ein »Bittewarten-Sie« rufen sollte. Aber dann ging er mit unterdrückter Wut auf die Strom-Brücke zu, wobei ihm der Schneematsch um die Füße spritzte; er machte sich nicht einmal die Mühe, vorsichtig zu gehen. Der Wagen stand da, wo er ihn zwar erlaubterweise, aber doch unüberlegt vor dem Cafe Opera hatte stehen lassen. Dicker Schnee auf den Scheiben, kein Kratzer am Wagen. Er zog einen in Kunststoff eingeschweißten Ausweis mit dem kleinen Reichswappen aus der Tasche und kratzte die Scheiben frei. Hier würde er den Wagen künftig nicht mehr parken.
    Auf der Fahrt zur Insel Kungsholmen schlitterte und rutschte er im Schneematsch hin und her. Amerikanische Wagen sind für skandinavische Winter nicht geeignet, und dieser Wagen mußte endlich verkauft werden.
    Das war ein weiterer Beschluß, an dem festgehalten werden mußte. Alle Beschlüsse des Tages mußten endgültig sein. Er hatte den Wagen aus Kalifornien mitgebracht, und anfänglich hatte das schwedische Nummernschild auf dem blauen kalifornischen Schild gesessen, so daß man den Text »The Golden State« immer noch lesen konnte. Das war nicht nur kindisch; es war eine weitere dieser völlig regelwidrigen Indiskretionen, mit denen er sich umgab, ein stummer, aber alberner Protest gegen den Job, in dem er vorübergehend gelandet war. »Vorübergehend« - das war jetzt zwei Jahre her. Der Job war wahrlich nicht das geworden, was er sich einmal vorgestellt hatte.
    Auf Norr Mälarstrand wurde der Verkehr stärker. Die Straßenverwaltung hatte vor kurzem ein schwer durchdringliches Dickicht aus Zementblöcken an bestimmten strategisch berechneten Stellen aufgestellt, um unter den Autofahrern, die jeden Morgen und Abend gezwungen waren, über Kungsholmen zu fahren, so viel Irritation zu erzeugen, daß sie - so hatte sich die Stadtverwaltung das tatsächlich gedacht - aus Überdruß oder Zorn das Autofahren aufgeben und statt dessen mit Bus oder Bahn in die Stadt fahren würden.
    Es dauerte fast zehn Minuten, die Verkehrsampel an Kungsholms Torg zu erreichen. Carl grübelte weiter über sein verpfuschtes Leben und seine guten Vorsätze, sich künftig zu bessern, nach.
    Sie hatten ihn schon während seines Wehrdienstes angeworben, noch als er zum Marinetaucher ausgebildet wurde. Das war jetzt mehr als acht Jahre her. Er war damals politisch radikal gewesen oder, um es ohne Umschreibungen zu sagen - denn »radikal« war er ohne Zweifel auch jetzt noch -, Kommunist und Mitglied der Studentenorganisation Clarté, die sich seit einer Reihe von Jahren hauptsächlich auf »Marxismus-Leninismus-Maoismus« stützte, eine Phrase, die sich für alles verwenden ließ.
    Das war ganz am Ende der politischen sechziger Jahre gewesen, das heißt ein paar Jahre nach dem Sieg Vietnams und der Befreiung Saigons 1975.
    Clarté hatte ihren besonders überzeugten Genossen die Aufgabe gestellt, die Streitkräfte zu unterwandern.
    Was eigentlich damit gemeint war, blieb etwas unklar, aber es ging keineswegs um irgendwelche traditionellen pazifistischen Absichten, sondern die Idee lief vielmehr darauf hinaus, möglichst viele Genossen in möglichst vielen wichtigen Positionen in der Armee unterzubringen.
    Das Ganze wurde damit erklärt, daß man diese politisch bewußten Genossen in der Stunde der Gefahr brauchen werde - nämlich beim Angriff der sozialimperialistischen Supermacht - , damit sie defätistische und landesverräterische, das heißt mitläuferisch prosowjetische Tendenzen bekämpfen könnten. Die bürgerliche Armee sei in nationaler Hinsicht nämlich nicht ganz zuverlässig.
    Es darf nicht erstaunen, daß weder der Sicherheitsdienst der Streitkräfte noch die Sicherheitspolizei je begreifen konnten, welche Absichten hinter dieser minimalen Links-Unterwanderung steckten. Bei den Sicherheitsdiensten saßen die Experten für die politische Linke und rauften sich die Haare, weil sie aus dieser neuen kommunistischen Variante nicht schlau wurden. Man neigte zu der Ansicht, das Ganze sei eine Art

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