Coq Rouge
jetzt versuchte, so um die Telefonzelle herumzugehen, daß er wenigstens einige der Zahlen erkennen konnte, die der Terrorist wählte, bewegte sich der Mann dort drinnen entsprechend, so daß er dem Polizisten ständig die Sicht versperrte.
Das Gespräch war sehr kurz, und Hestenes konnte nicht hören, worum es ging, aber er hörte etwas auf schwedisch, was sich wie. eine Bestätigung der Uhrzeit, 16.30, anhörte.
Kurz vor Ende des Gesprächs wandte sich der Terrorist hastig und überraschend um, und zum zweitenmal an diesem Tag sahen sich die beiden Männer direkt in die Augen. Und diesmal gab es keinen Zweifel. Der Terrorist lächelte und winkte Hestenes langsam und ironisch zu, legte auf, drängte sich hinaus und ging auf den Hoteleingang auf der anderen Straßenseite zu.
Danach wurde es womöglich noch peinlicher. Der Terrorist holte sein Gepäck aus dem Hotel und nahm unmittelbar darauf ein Taxi nach Fornebu, wo er seine Pilotentasche aufgab, die Plastiktüte mit den Strohblumen jedoch als Handgepäck bei sich behielt (die Tasche enthielt unter anderem neben Unterwäsche zum Wechseln zwei Extra-Hemden, Toilettenartikel, eine Kupferkasserolle mit Deckel, ein pro-palästinensisches Flugblatt in norwegischer Sprache sowie einen liniierten Schreibblock der Größe DINA4 mit rund zwanzig handbeschriebenen Seiten voller Aufzeichnungen über Ereignisse in Afghanistan; das alles wurde nach dem üblichen Streit mit den Zollfahndern fotografiert, der der Frage galt, wer in Fornebu eigentlich das Sagen hatte, und auch diese Fahndungsaktion ergab nichts, was auch nur den geringsten Wert besessen hätte, und zu dieser Zeit erwartete das auch niemand mehr).
Der Terrorist ging dann eine Treppe hinauf, flanierte an der Cafeteria vorbei und betrat das fast leere Restaurant. Die Lunchzeit war längst vorbei, und für das Abendessen war es noch zu früh. Er setzte sich ganz hinten hin und behielt den einzigen Eingang des Restaurants im Auge. Er blieb eine Stunde und sechsundzwanzig Minuten sitzen, wobei er die Zeitungen las und Meereskrebse in Curry aß, die nach einem orientalischen Rezept zubereitet waren. Er trank Farris, ein Mineralwasser.
Die Sicherheitsbeamten hatten weitgehend resigniert. Das erste Team hatte Kaffee und Smörrebröd bestellt, was in einem Restaurant eine auffallend bescheidene Bestellung war, überdies eine Mahlzeit, deren Einnahme kaum mehr als eine halbe Stunde dauern konnte. Danach wurden sie von zwei Mann der Reservegruppe abgelöst.
Der Terrorist hatte den Flug nach Stockholm für die Maschine um 16.30 Uhr gebucht. Er blieb ruhig bis 16.15 Uhr sitzen und ging erst dann zur Paßkontrolle (in der Transithalle kaufte er fünf Minuten später eine Flasche Johnny Walker Black Label und zehn Schachteln amerikanische Zigaretten; nahm keinen sichtbaren Kontakt auf, sprach mit niemandem).
Auf dem Weg aus dem Restaurant faltete er jedoch das Blatt Verdens Gang auseinander. Die anderen Zeitungen hatte er auf dem Tisch zurückgelassen.
Und genau in dem Moment, in dem er an Atlefjords Tisch vorbeikam, blieb er stehen und faltete die Zeitung zweimal, bevor er sie den beiden verlegenen Sicherheitsbeamten hinstreckte, sie kurz über den Tisch hielt und schließlich auf die Reste von Atlefjords Smörrebröd fallen ließ.
»Danke für die Begleitung und friedliche Weihnachten«, sagte er, ehe er seinen Weg fortsetzte.
Nur das, nicht ein Wort mehr.
Stöhn, dachte Atlefjord und senkte den Blick auf die Zeitung, um seinem Kollegen nicht in die Augen sehen zu müssen.
Mitten im Zeitungstext hatte der Terrorist mit einem Kugelschreiber eine Passage eingekreist, die sehr richtig davon handelte, daß die israelische Delegation im Lauf des Tages in Oslo erwartet werde und daß ihre Pressekonferenz im Hotel Nobel abgehalten werden solle, wo sie während ihres Oslo-Aufenthalts auch wohnen werde. Hotel Nobel war unterstrichen.
Eine Dreiviertelstunde später hielt Polizeiadjutant Iver Mathiesen im kleinen Konferenzraum des Überwachungsdienstes im dritten Stock des weißen Polizeihauses draußen bei Grönland einen zusammenfassenden Vortrag. Die Atmosphäre war verlegen.
Mathiesen faßte zunächst zusammen, was man tatsächlich wußte. Es war nicht sehr viel. Lediglich beim Besuch im Munch-Museum konnte Mathiesen etwas abschweifen und einen kurzen kunstgeschichtlichen Exkurs machen. Das Interessante an einem Vergleich der drei Frauenbilder aus den frühen 9oer Jahren des 19. Jahrhunderts mit dem späteren Bild aus der
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