Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
dem Drachen so nahe, daß ich ihn beinahe hätte greifen können.
    Er blätterte eine Weile, bis er das richtige Formular gefunden hatte, legte das Bild des Drachen beiseite und begann mit der Abfassung eines quälend detaillierten Berichts. Er enthielt unter anderem den Hinweis, daß er am Nachmittag während seines Fahndungsauftrags zweimal entdeckt worden war. Es war nicht angenehm, das hinzuschreiben. Aber Mathiesen hatte vielleicht recht wenn er sich bei diesem Weinglas im Warenhaus nun nicht dem Drachen enthüllt hätte, was hätte dann passieren können?
    Es ist wahr, daß die Palästinenser bei ihren Aufträgen hauptsächlich den automatischen Karabiner AK 47 Kalaschnikow verwenden. Roar Hestenes hatte während eines Ausbildungsaufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland selbst mit einer solchen Waffe geschossen. Zwanzig Schuß im Magazin, liegt völlig still und ausbalanciert, selbst bei Schnellfeuer aus der Hüfte. Erstaunlich hohe Präzision bei Einzelschüssen und bei Verwendung als Gewehr. Die AK 47 ist eine respekteinflößende, furchtbare Waffe.
    Auf der Stuhllehne hinter ihm hing sein Schulterholster mit der Dienstwaffe, einer Smith & Wesson, Kaliber 38, Modell 10.
    Er unterbrach das Schreiben und streckte wieder die Hand nach dem Foto mit dem Terroristen aus. Er deckte das humorvolle Auge zu und blickte eine Weile in das kalte Auge.
    Es spielt ja keine große Rolle, dachte er, es spielt wirklich keine große Rolle, ob man nun ein guter Polizist oder ein Anfänger bei der Sicherheitspolizei ist, wenn man fünf oder sechs solchen Leuten begegnet und dabei selbst einen Revolver in der Hand hat, während die mit der AK 47 arbeiten.
    Er zog die unterste Schreibtischschublade heraus und entließ das Bild in die vermeintliche Vergessenheit. Er schloß die Schreibtischschublade und beendete seinen Bericht für die schwedischen Kollegen.

3
    Etwa zur gleichen Stunde, als der stellvertretende Polizeipräsident Axel Folkesson draußen in Djurgärden in seinem Wagen starb, erwachte Carl Gustaf Gilbert Hamilton aus einem Alptraum.
    Es hatte als vollkommen normale Havarieübung in dem achtzehn Meter tiefen Tauchtank in Karlskrona begonnen. Er war auf der roten Leiter in die Tiefe gestiegen, und als er unten auf dem Grund angelangt war, nahm er das Mundstück ab, zwängte sich aus dem Preßluftgerät, blies anschließend ein Viertel der Luft aus den Lungen, um beim Auftauchen durch die Druckveränderung keinen Lungenriß zu bekommen, und begann mit dem langsamen Aufstieg in dem schimmernden Licht des 3 5 angenehme Grad warmen Wassers.
    Wenn man die Zehn-Meter-Marke erreicht hat, braucht man sich normalerweise keine Mühe mehr zu geben, sondern treibt automatisch nach oben; wenn man ertrinken will, wie die Ausbilder sich auszudrücken pflegten, muß man es immer in einer Tiefe unter zehn Metern tun, wenn der Wasserdruck den Körper hinunterpreßt, sonst treibt man nach oben.
    Als er die Zehn-Meter-Marke erreichte und sich nach oben treiben lassen wollte, wurde das Wasser plötzlich kalt, und die acht starken Scheinwerfer im Tank erloschen gleichzeitig, während der Druck ihn nach unten zu saugen begann. Er passierte die Achtzehn-Meter-Marke, wo sich soeben der Boden befunden hatte und wo die erst rote, dann grüne, dann schwarze und schließlich weiße Leiter endete; der Boden löste sich in Dunkelheit auf.
    Anfänglich machte er den Versuch, jede Panik zu vermeiden. Der Druck wurde aber stärker, und er sank unerbittlich und immer schneller in die Tiefe und war jetzt in einem dicken, mit Wasser gefüllten Rohr auf dem Weg in die Unterwelt, ohne den Ablauf der Ereignisse steuern oder beeinflussen zu können, und der Druck auf das Trommelfell ließ sich nicht mehr ausgleichen, dazu sank er viel zu schnell, und der Druck auf die Gesichtsmaske wurde allmählich so stark, daß das Plexiglas an den Augenbrauen und Wangenknochen anlag und die Augen nach innen und zur Seite gedrückt wurden, so daß er immer weniger sehen konnte; alles wurde schwarz, und als ihm aufging, daß er nicht überleben würde, kam die Panik.
    Er wachte auf. Er hatte sich in den Laken verheddert und ein Kissen auf dem Kopf. Er brauchte ein paar Sekunden, um den Zusammenhang zu erkennen. Seit der Kindheit hatte er keine Alpträume mehr gehabt.
    Er schleuderte die Bettwäsche mit einem Ruck zur Seite, richtete sich auf und stellte fest, daß er schwer und kurzatmig Luft holte, als befände er sich noch immer im Tauchtank in Karlskrona.
    Jetzt

Weitere Kostenlose Bücher