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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Trick.
    Die sogenannten Fachleute in der Sicherheitsabteilung der Reichspolizeiführung (»Säpo«) hatten sich hartnäckig in den Kopf gesetzt, daß es sich um die Vorbereitung eines Staatsstreichs handelte: Wenn genügend Clartéisten die Streitkräfte unterwandert hätten, würden Heer, Luftwaffe und Marine unter roten Fahnen und dem klingenden Spiel des Musickorps der Roten Armee auf Stockholm marschieren.
    Carl Hamilton, neuerdings wenigstens nach außen hin Offizier und Gentleman, lächelte über diese Erinnerungen, und damit lächelte er an diesem Tag zum ersten und einzigen Mal.
    Die Anwerbung hatte im Monat März stattgefunden, ganz zu Anfang seiner Ausbildung zum Marinetaucher. Zu dieser Zeit fährt der auszubildende Jahrgang von Berga nach Karlskrona hinunter, um sich zum erstenmal mit dem Tauchtank bekanntzumachen und um ein paar grundlegende Dinge zu üben, die mit dem Aufstieg aus einer Taucherglocke, mit Atemtechnik und derlei zu tun haben.
    Hoch oben in dem Turm, der den eigentlichen Tauchtank umschließt, ist es ziemlich eng. Der Übungsleiter sitzt auf einer Art Katheder nahe der Decke, und die Wehrpflichtigen schaukeln auf der Wasseroberfläche darunter wie Entenkinder, während drei Ausbilder die verschiedenen Tauchphasen vor dem Üben mit der Taucherglocke erläutern. Es folgen Einzelübungen in verschiedenen Tiefen, und ein Arzt kontrolliert, daß jeder nach dem Aufsteigen noch volle Kontrolle über seine körperlichen Funktionen hat.
    Schon in einer Tiefe von sechzig Zentimetern kann es auf höchst unerwartete Weise zu einem Lungenriß kommen. Ein Lungenbläschen platzt, und eine Luftblase saust durch den Blutkreislauf und bleibt irgendwo im Gehirn hängen. Wenn man Glück hat, bleibt das Luftbläschen dort und blockiert so nur den Tastsinn eines Fingers, so daß man es nach ein paar Stunden in der Druckkammer ohne Schwierigkeiten wegdrücken kann. Hat man Pech, bleibt das Luftbläschen unverrückbar mitten im Sprechzentrum.
    Carl fühlte sich während der Übung merkwürdig beobachtet. Auf einem kleinen hölzernen Podium saß ein Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren, der hier keine vernünftige Aufgabe zu haben schien, auch wenn ihn die jüngeren Ausbilder mit einer Mischung aus Selbstverständlichkeit und Respekt vor einem Vorgesetzten behandelten.
    Am zweiten und letzten Übungstag saß er nicht mehr dort. Während einer der letzten Übungen behauptete der Arzt, bei Carl seien im einen Auge einige kleine Blutgefäße geplatzt. Es sehe nicht gut aus, man müsse eine Kontrolluntersuchung vornehmen. Carl wurde in ein Krankenrevier beordert, während die anderen sich ankleideten, um nach Stockholm und zu ihrem Wochenendurlaub zurückzukehren.
    Das Krankenrevier war leer. Man führte ihn in ein Zimmer, in dem seine Kleidungsstücke lagen. Er zog sich an, etwas beunruhigt, weil es irgendwo in ihm, obwohl er nichts spürte, trotz allem einen Defekt geben konnte, aber eine Spur mehr irritierte ihn, daß ein Wochenende zerstört zu werden drohte.
    Nach einiger Zeit erschien ein Fregattenkapitän und bat ihn mitzukommen.
    Sein Urlaub sei aufgrund der Krankmeldung gestrichen; er sei aber nicht krank und brauche sich nicht zu beunruhigen. Sie würden zu einer kurzen Reise aufbrechen. Eine weitere Erklärung erhielt Carl nicht.
    Der Fregattenkapitän fuhr ihn in einem Zivilwagen anderthalb Stunden nach Süden, während sie sich über die Ausbildung unterhielten, über die Zukunft der Marine, die Schlacht bei Trafalgar und andere offenkundige Belanglosigkeiten. Als die Provinz Blekinge zu Ende ging, folgten sie der Küste ein Stück nach Süden, durch Österlen, wo Schonen so aussieht, wie Schonen auf Bildern auszusehen pflegt, mit weichen, wogenden Hügeln, die zu dem blauen Meer hin abfallen. Es war März, und der Frühling war ungewöhnlich früh gekommen. Als sie sich Kivik näherten, war die Landschaft in Nebel gehüllt. Sie bogen von der Straße ab und fuhren zu einer kleinen Apfelplantage, und der Mann von dem Holzpodium oben im Tauchtank kam ihnen mit einer kräftigen Gartenschere in der Hand entgegen.
    So begegnete Carl zum erstenmal dem Alten. Er hatte jedenfalls nie aufgehört, die Abkürzung so zu deuten, auch wenn »D. A.« nie anders als DA genannt wurde. DA war seit ein paar Jahrzehnten Leiter des geheimen Teils des militärischen Nachrichtendienstes.
    Jedoch seit den Presseskandalen vor einigen Jahren war durchaus zweifelhaft, ob man diesen Nachrichtendienst noch als »geheim« bezeichnen

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