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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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taktischen Analysen der Terroristenorganisationen in Europa und ihrer Fähigkeit oder ihren Plänen, sich bei Sympathisanten Verbindungslinien und logistische Stützpunkte zu verschaffen.
    Das Ganze war also nicht so angelegt, daß man sofort erraten konnte, womit sich Folkesson in den letzten Tagen beschäftigt hatte, nur daß es dabei um Palästinenser gegangen war. Für Folkesson mußte das so etwas wie Routine-Material gewesen sein.
    Appeltoft fuhr den Volvo, Fristedt saß auf dem Beifahrersitz und Carl hinten. Polizeibeamte setzen sich automatisch so. Wer das Kommando führt, sitzt neben dem Fahrer, der Rangniedrigste sitzt hinten.
    Die beiden Kriminalkommissare machten saure Gesichter. Es erschien ihnen völlig idiotisch, die Arbeit zu unterbrechen, nur um zu einem Schießplatz zu fahren. Dieser Näslund zeigte sich oft sehr pingelig, wenn es um Paragraphen und Bestimmungen ging, und jetzt ging es in erster Linie um die Vorschriften für den Schußwaffengebrauch im Dienst, Abschnitt FAP 104/2.. die wiederum auf einer Königlichen Verordnung aus dem Jahre 1969 beruhten. In der offenen Polizeitätigkeit zirkulierten die Beamten laufend im Schießübungssystem, aber in der Firma - in der niemand mehr Schußwaffen verwendet hatte, solange man sich zurückerinnern konnte - war es üblich, daß ältere Beamte wie Appeltoft und Fristedt ihre Waffen einfach in den Panzerschrank legten und sie dann weder bei sich trugen noch mit ihnen übten.
    Appeltofts und Fristedts Irritation richtete sich überdies etwas diffus gegen Carl. Denn Carl war ja ein typischer Näslund-Schützling, einer dieser akademischen Neuzugänge, die vermutlich zu Näslund laufen und petzen würden, falls etwas Unpassendes gesagt oder getan wurde. Um Carl absichtlich zu provozieren oder um vielleicht seine Reaktionen zu testen, begannen die beiden älteren Beamten jetzt mit etwas Firmenklatsch über Näslund.
    »Du hast sicher von seiner Großtat mit dem Jukkasjärvi-Mann gehört?« fragte Fristedt.
    Carl, der in Wahrheit sehr wenig mit Näslund zu tun gehabt hatte und vom Firmenklatsch kaum etwas wußte, schüttelte den Kopf, und Fristedt erzählte mit sichtlicher Schadenfreude.
    Es war eins der teuersten und größten Fiaskos der Firma gewesen. Näslund war damals Distriktsstaatsanwalt irgendwo da oben in der Lappenhölle (Fristedt war Stockholmer, und alles, was nördlich von Gävle lag, war schlicht »die Lappenhölle«).
    Näslund hatte in der Region die Verantwortung für Sicherheitsfragen und wollte sich bei dieser Gelegenheit bis nach Stockholm einen Namen machen, denn er war einem Großspion auf der Spur. In Jukkasjärvi.
    Sechs Jahre lang waren die örtlichen Fahnder der Firma umhergeschlichen, hatten Lauschoperationen durchgeführt und Gerüchte gesammelt und in anderen Bezirken sogar Verstärkung requiriert, um den Großspion festzunageln. Und am Ende hatte Distriktsstaatsanwalt Näslund beschlossen, die endgültigen Beweise zu sichern. Er organisierte eine Aktion mit zwanzig Mann, darunter rund zehn Spezialisten aus Stockholm, mit einem Hubschrauber (dessen Aufgabe, gelinde gesagt, unklar war), mit schußsicheren Westen und allem technischen Drum und Dran. Die Streitmacht marschierte auf Jukkasjärvi zu - man schlug »einen eisernen Ring um Jukkasjärvi« - und nahm den Mann in seiner Wohnung fest, stopfte seinen gesamten Hausrat in numerierte schwarze Kunststoffsäcke, und danach trat Distriktsstaatsanwalt Näslund - damals wie auch später immer - vor die Presse und trompetete den großen Triumph hinaus, was für einen gefährlichen Staatsfeind man unschädlich gemacht habe.
    Vier Monate später war man gezwungen, den Mann freizulassen, der sich als Spanner erwiesen hatte - daher die bestimmten eigentümlichen Verhaltensweisen, die zu einigem unklaren Gerede geführt hatten; es ist nicht leicht, in der Geographie, die die Lappenhölle zu bieten hat, ein Spanner zu sein -, und überdies hatte er bei einer gesicherten Gelegenheit eine einwöchige Kreuzfahrt nach Leningrad unternommen.
    Von Spionage jedoch nicht der leiseste Hauch, auch nicht von einem Verbrechen gegen die Sicherheit des Landes. Näslund konnte einen Spanner aus Norrland also nicht von einem Kim Philby unterscheiden. Und wegen dieser strahlenden Tat war er so gut wie augenblicklich nach Stockholm berufen und zum Leiter von Büro B gemacht worden.
    Es war fast so, als hätte jemand in der Regierung bewußt beabsichtigt, der Firma zu schaden. Wie sollte man sich sonst

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