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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ein Fünftel so groß war wie diese Drittelfigur). Carl ging auf, daß er diese Übung mit verschiedenen Waffen mehrere tausendmal absolviert haben mußte.
    Carl gab durch ein Kopfnicken nach hinten zu erkennen, daß er bereit war. Die drei Polizeibeamten blickten sich verblüfft an, als sie sahen, welche Ausgangsstellung Carl gewählt hatte. Appeltoft zuckte die Achseln.
    »Fertig!« rief der Ausbilder.
    Carl ließ die Hände an den Seiten herabhängen. Der Rücken war noch immer dem Ziel zugewandt.
    Appeltoft war derjenige der drei Männer, der sich hinterher am deutlichsten erinnerte, was eigentlich geschehen war.
    Im selben Moment, in dem die Maschinerie dort unten die Zielscheibe umdrehte, wirbelte Carl herum und zog und entsicherte seine Waffe mitten im Schwung. In der nächsten Bewegung sank er in etwas, was in schwedischer Ausbildersprache wohl am ehesten »hockende Schießstellung mit Stützhand« genannt wurde, und feuerte zwei Schüsse in dichter Folge ab und dann, nach einer kurzen Pause, drei weitere Schüsse. Darauf drehte er sich wieder in seine Ausgangsstellung zurück, und danach, wie es schien nach einer Ewigkeit, waren die sieben Sekunden vergangen, und das Ziel wurde weggeklappt.
    Die gleiche Prozedur wurde vor den Augen der sprachlosen Polizeibeamten noch zweimal wiederholt. Als Carl zum letztenmal seine schwere ausländische Pistole ins Schulterholster schob, befanden sich noch zwei Patronen in der Luft auf dem Weg zum Fußboden. Sie fielen klirrend in die absolute Stille.
    Flapp, klang es, als die durchlöcherte Zielgestalt weggeklappt wurde.
    Niemand sagte etwas. Der Ausbilder ging selbst hinunter, um die Zielfigur zu holen. Einer der Treffer lag an der Helmkante der Figur. Die anderen vierzehn Schüsse saßen dicht beieinander im Gesicht der Figur.
    »Tjaha«, sagte der Ausbilder, während er die Zielfigur Appeltoft und Fristedt hinhielt und ihnen dabei einen Blick zuwarf, der etwa sagen sollte, und ihr habt mir erzählt, der ist ein grüner Neuling: »Für einen Anfänger schon ganz schön. Aber was hast du für eine Waffe, mein Junge?«
    »Eine Beretta 92 S mit 9mm-Hochgeschwindigkeitsmunition Parabellum.
    Ich habe die Erlaubnis des Sektionschefs, sie statt einer Walther zu verwenden. Ich kann die Übung natürlich mit einer Walther wiederholen, aber dann muß man ja zwischenladen.«
    Carl gab sich äußerste Mühe, ohne jeden Gesichtsausdruck zu antworten. Es tat ihm schon leid.
    »Wo hast du das gelernt?« fragte Fristedt mit leiser Stimme. Carl schüttelte den Kopf.
    »No comment«, sagte er.
    »Ja, nach dieser Anfängerprobe können wir vielleicht zu den echten alten Experten der Sicherheitspolizei übergehen«, sagte der Ausbilder säuerlich, »aber dann machen wir es wohl lieber mit einer Walther und fünf statt fünfzehn Schuß pro Serie, könnte ich mir vorstellen.«
    Appeltoft seufzte, holte seine Waffe hervor und stellte sich in die vorschriftsmäßige Ausgangsposition der schwedischen Polizei. Sie schossen eine halbe Stunde lang auf verschiedene, bedeutend leichtere Ziele.
    Appeltoft bewältigte seine Proben mit recht gutem Ergebnis, und Fristedt, der die Pistole ganz offenkundig verabscheute, nur mit knapper Not. Carl ließ es im folgenden ruhig angehen und schoß gerade nur so, wie es die verschiedenen Übungen erforderten. Jedoch ohne auch nur einen Schuß zu verfehlen.
    Im Auto auf dem Rückweg in die Stadt herrschte anfänglich nachdenkliches Schweigen. Draußen war es inzwischen pechschwarz geworden, und es regnete. Nachdem sie Norrtull passiert hatten und in Richtung Kungsholmen unterwegs waren, schrien ihnen die hellerleuchteten Schlagzeilen-Plakate der Zeitungen entgegen.
    »Mach dir nichts draus, am liebsten solltest du gar nichts lesen, denn sonst wirst du nur wütend«, sagte Fristedt.
    »Oder du fragst dich, ob wir diese Ermittlungen betreiben oder die Presse«, erläuterte Appeltoft weiter.
    Die beiden Kriminalkommissare hatten einen kollegialeren und etwas weniger väterlichen Tonfall angelegt, wenn sie jetzt mit Carl sprachen.
    Sie waren unterwegs, um die Kollegen von der »offenen Arbeit« zu treffen, wie man in der Firma die reguläre Polizei nannte. Ljungdahl, Chef des Dezernats für Gewaltverbrechen, erwartete sie mit den Ergebnissen der erkennungsdienstlichen Untersuchungen und weiteren Erkenntnissen des heutigen Tages.
    Ljungdahl erschien mit einem dünnen Stapel technischer Berichte in der einen Hand und einer Plastiktüte mit einer Pistole in der anderen.

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