Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin
Grundherr, kein Schreiber, der Buch führen muss über das, was ein jeder an Arbeit leistet.«
»Falls Ihr ein Schreiber wärt, würde Euch das keinen Schweiß kosten; sie leisten nämlich recht wenig. Sie geben sich nicht einmal Mühe.«
»Ihr wagt es, mir deren Unverstand vorzuwerfen?«
»Gewiss doch. Ein Haushofmeister kauft, verkauft und beaufsichtigt alles in Eurem Namen; eine Haushälterin gebietet über das Gesinde; ein Stallmeister wählt aus, züchtet und verkauft; und ein Weber spinnt und webt. Und wenn sie das nicht tun, dann deshalb, weil Ihr nicht den Befehl dazu gabt.«
Er lachte bitter. »Einfach befehlen, dann geht alles wie von selbst?«
Ihre Stimme wurde unerklärlich sanft. »Gebt den Befehl, das ist ein erster Schritt.« Sie kam näher heran, unterdrückte den Wunsch, ihn zu berühren. »Euren Leuten fehlt gar nicht so sehr eine Burgherrin. Sie brauchen Euch, Mylord!«
Die plötzliche Veränderung seiner Miene traf sie völlig unvorbereitet. Die grimmigen Züge waren verschwunden, die Augen wurden dunkler und leuchteten. Sie schien ihn bei seinem Stolz und seiner Ehre gepackt zu haben.
»Ich bin ein Krieger, ein Soldat … kein Pflüger, Schmied oder Schäfer.«
Solange er das glaubte, so erkannte sie, würde er sich auf seinem eigenen Besitz nicht heimisch fühlen und sich alles noch weiter verschlechtern.
»Ihr müsst in alle Rollen schlüpfen, sonst werdet Ihr nie die Zügel in der Hand halten. Um über Whitmore zu herrschen, müsst Ihr selbst ein Teil davon werden.« Ihre Stimme wurde leiser. »Und wenn Ihr Euer Glück hier zu finden hofft, eine Braut heimführen und Kinder haben wollt, auf dass dieser Ort wieder wachsen, blühen und gedeihen möge, dann gibt es noch viel für Euch zu tun.«
»Ist das ein Ultimatum?« fragte er grimmig.
»Sagen wir … es ist ein sehr ernst gemeinter Rat.«
Sie standen sich jetzt Aug in Aug gegenüber. Eloise spürte seine Erregung, die Verzweiflung in seinen Augen. Es fiel ihr schwer, ihn nicht zu berühren. Doch sie wollte endlich wissen, ob er bereit war, seine große Stärke und Entschlossenheit für die vor ihm liegenden Aufgaben zu nutzen, oder ob er alles schleifen lassen würde wie vor ihm sein Vater – mit verheerenden Folgen.
Sie sandte ein Stoßgebet an sämtliche Heiligen, die ihr zuhören mochten. Bitte helft ihm! Lasst ihn das Richtige wählen. Lasst ihn Whitmore in Besitz nehmen!
Das war, wie sie wohl erkannte, der Dreh- und Angelpunkt ihrer Mission. Der Grund ihres Hierseins. Die Prüfung eines Mannes. Eines Herzens.
Sie hielt den Atem an. Wartete. Hoffte.
Sein Blick glitt über ihr Gesicht, versuchte, ihre Gedanken zu erraten. Sie hoffte inständig, dass er nichts von dem sähe, was in ihrem Herzen vorging, denn in diesem Augenblick brauchte er eine kühle Äbtissin, keine schwache Frau.
Das Schweigen vertiefte sich.
»Und wenn ich auf den Rat höre«, fragte er schließlich ganz leise, »womit soll ich anfangen?«
Sie holte tief Luft, während ihr Blut wieder in den Adern zu pulsieren begann.
»Ihr würdet beginnen, indem Ihr einen Verwalter ernennt, der weiß, welche Jahreszeit es ist, und eine Schlüsselbewahrerin, die sich darauf besinnen kann, was sie aufschließen sollte.«
Der alte Sedgewick reagierte auf die Nachricht, dass er seines Amtes enthoben sei, indem er sich im Bett herumdrehte und weiterschlief. Die Madame allerdings ließ ihre Zofe an der Tür ausrichten, dass sie zögere, die Schlüssel auszuhändigen.
Eloise bestand darauf, die Kemenate der alten Frau zu betreten, um selbst mit ihr zu sprechen. Kaum war sie mit dem Earl über die Schwelle getreten, als ihr das vornehme Interieur ins Auge fiel. Prächtige Wandbehänge, kunstvoll gedrechselte Stühle und ein Tisch, ein breites Baldachinbett, Samtkissen und Daunendecken, feine geschnitzte Elfenbeinkämme, ein silberner Krug mit Pokalen sowie ein Waschkrug mitsamt Schüssel aus Messing. Der nackte Steinfußboden war fleckenlos rein; Duftkugeln verbreiteten ein liebliches Aroma aus den getrockneten Blüten von Rose, Klee und Veilchen.
Die Madame hatte ein Nickerchen im Armstuhl gehalten, doch nach anfänglicher Verwirrung erkannte sie ihren Herrn und wollte aufstehen. Er hinderte sie daran und kniete neben ihr nieder.
»Woher habt Ihr all diese Sachen, Madame?« fragte er.
»Von Eurer Mutter, Seigneur – sie war eine vornehme Dame. Euer Vater …«, sie wandte sich ab und spuckte aus, als ob die bloße Erwähnung ihres verstorbenen Herrn einen
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