Cora Historical Gold 129 - Die Novizin
zusammen, und Eloise wusste, dass sie der Sache auf der Spur war. »Was ist denn los? Haben sie Schwierigkeiten gemacht?«
»Das glaube ich nicht … wenigstens nicht mehr, als die Äbtissin ihnen gemacht hat«, stieß Maria Clematis mit einem Seufzer der Erleichterung hervor, wie immer, wenn sie ein Geheimnis nicht für sich behalten musste.
»Was hat sie denn getan? Erzähl mal. Alles.«
»Nun … der Earl und sein Kaplan haben gestern im Gästequartier übernachtet, und Schwester Archibalda hat Wache gestanden, und heute Morgen …«, hier legte Maria Clematis eine Kunstpause ein, um Eloise auf die Folter zu spannen, »… heute Morgen bedient die Äbtissin sich dieses Herrn, um das Barbieren üben zu lassen.«
Eloise platzte vor Lachen. »Aber nicht doch! Ich meine, der Mann mag ja grobschlächtig, hochmütig, herrisch und ungalant sein, aber wer zu seinem Lebensunterhalt das Schwert schwingt, verdient es nicht, sich von zwölfjährigen Mädchen das Gesicht lädieren zu lassen.«
Maria Clematis’ spontanes Gelächter brachte Eloise zum Grinsen. Ihre Gesichtsmuskeln, die jetzt seit einigen Stunden zur Büßermiene verzogen waren, entspannten sich. »Wie hat sie ihn denn überredet? Mit welchen Worten?« Erst jetzt fühlte sich Eloise wirklich und wahrhaftig bestraft. »Die beste Gelegenheit, ihr zuzusehen, wie sie mächtige, einflussreiche Männer auf die Knie zwingt, und ich muss das alles verpassen.«
»Wie sie ihn überredet hat, weiß ich nicht. Sie erschien einfach vor ein paar Minuten mit ihm im Hof und setzte ihn auf einen Stuhl.« Maria Clematis schüttelte den Kopf. »Das dürfte wohl schief gehen. Die Mädchen haben viel zu viel Angst, sich ihm zu nähern.«
»Memmen!« schnaubte Eloise verächtlich.
»Aber du solltest ihn erst einmal sehen, Elly. Er ist … nun ja, er ist …«
»Was denn?« Verwundert bemerkte Eloise, dass Marias Augen glänzten.
»Er ist so groß und so … nackt.«
»Und stattlich?« fragte Eloise und brachte damit die Sache auf den Punkt.
»Ach, ich weiß nicht recht. Ich habe nicht …« Zu behaupten, sie habe nicht hingeguckt, hätte nicht der Wahrheit entsprochen. Und Maria Clematis log nie.
Heiße Neugier wallte in Eloise auf und wollte sich durch nichts unterdrücken lassen.
»Das muss ich sehen!« Sie ergriff die Freundin bei der Hand und zog sie zur Tür.
»Neiiiiin!« Maria Clematis leistete erbitterten Widerstand.
»Komm schon! Ich bin im Nu wieder zurück.« Eloise lugte zur Tür hinaus.
»Wenn dich die Mutter Oberin sieht, bekommst du auf ewig Zellenarrest.«
»Die sieht mich schon nicht. Ich verstecke mich hinter deinem Rücken. Außerdem wird sie zu beschäftigt sein, die Lektion in Demut zu überwachen, die sie Seiner Lordschaft erteilt.«
Sie schlichen durch den Gang, Eloise voran, und auf den Weg mit dem Kopfsteinpflaster, dann um das Dormitorium der Novizinnen herum in den Innenhof des Kreuzgangs. Eloise hielt Ausschau nach den Schwestern, während Maria Clematis Stoßgebete gen Himmel sandte und sich mitziehen ließ. Plötzlich waren sie am Rand des Säulengangs angelangt und erspähten ein Gedränge von Nonnen, Novizinnen und Jungfrauen, die wie gebannt auf irgendetwas in ihrer Mitte starrten.
Eloise war enttäuscht. Ihre Sicht war blockiert.
Während Maria Clematis noch betete, huschte ihre Freundin hinter die Gruppe und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick zu erhaschen. Ein dunkles Männerhaupt war inmitten des engen Kordons aus Nonnen und Mädchen gerade noch sichtbar. Alaina – ausgerechnet die schöne, aber scharfzüngige Alaina – bemühte sich, mit dem Barbiermesser eine Schneise in das Furcht einflößende bärtige Gesicht zu ziehen. Eine der älteren Nonnen gab ihr Anweisungen.
Beseelt von dem Wunsch auf bessere Sicht, schlich sich Eloise auf Zehenspitzen um die Zuschauerinnen herum und sprang zwischendurch immer wieder hoch. Der Earl trug eine Leidensmiene zur Schau, dafür aber kaum Textilien. Obwohl sie nur dann und wann einen Blick erhaschte, begriff sie allmählich, was Maria Clematis so sprachlos und die Mädchen, die ihn rasieren wollten, so aufgeregt gemacht hatte. Der stattliche sonnengebräunte Körper des Edelmanns strahlte etwas aus, das noch durch den Ring der Umstehenden deutlich zu spüren war. Eloise konnte sich kaum von seinem Anblick losreißen.
Seltsam, dachte sie, als sie eine Lücke in der Gruppe fand und sich hineindrängte. Noch nie hatte sie sich dafür interessiert, wie Bendick oder der alte
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