Cora - MyLady 334 - Clay, Merilyn - Miss Tessa aus Amerika
Locken lose auf die Schulter fielen.
Es kam ihr sehr gewagt vor, Arme und Hände unbedeckt zu lassen, doch die Gäste sollten sich als Operncharaktere verkleiden, und sie hatte sich die Diana aus »The Olympian Goddess« ausgesucht, zu deren Kostüm nun einmal keine Handschuhe gehörten. Stattdessen hatte Tessa zwei Armbänder von Lady Penwyck angelegt, dazu den Saphirring und eine kunstvolle Goldkette, die sie sich mehrmals um den Hals geschlungen hatte. Ihre Maske war aus goldglänzendem Stoff gefertigt.
Während sie nun in der Kutsche zu dem Ball rumpelten, sah Tessa schüchtern zu Lord Penwyck, der ihr gegenüber saß. Obwohl er wieder kühl und distanziert wirkte – oder vielleicht auch nur in Gedanken anderswo war –, sah er in seinem weißen Rüschenhemd, der langen Weste, dem kastanienbraunen Brokatrock und den narzissengelben Kniehosen, kombiniert mit weißen Seidenstrümpfen und silbernen Schnallenschuhen, überaus prächtig aus. Tessa war sich nicht sicher, welche Opernfigur er darstellte.
Er trug außerdem eine weiße Lockenperücke und einen großen Hut mit Feder. Sobald er die Maske aufsetzte, die sein Gesicht bis auf den Mund vollständig bedeckte, war er völlig unkenntlich.
Anscheinend hatte auch seine Mutter Schwierigkeiten, ihn zu erkennen, denn sie sagte lachend: »Also wirklich, Harrison, wenn sich alle so gut verkleidet haben wie du, wird keiner wissen, mit wem er gerade plaudert!«
»Das macht den Reiz eines Maskenballs aus, Mutter«, erwiderte Lord Penwyck.
Die Kutsche erreichte ihr Ziel, und der Gentleman half den Damen beim Aussteigen. Tessa stolperte, und ein Schauer überlief sie, als der Earl sie um die Taille fasste und halb herunterhob.
»Bitte sehr, Miss Darby. Sie sehen heute Abend unvergleichlich aus. Bei Ihnen wird wohl niemand Schwierigkeiten haben, Sie zu erkennen, bei Ihrem herrlichen Haar. Wie gut, dass Sie es nicht unter einer Perücke versteckt haben.«
Damit geleitete er die Damen in das hell erleuchtete Foyer, in dem sich bereits die maskierten Gäste drängten.
Sobald sie eingetreten waren, entschuldigte sich der Earl zu Tessas Kummer und ging davon.
Hinter ihrer Maske spürte Tessa, wie ihr schon wieder Tränen in die Augen stiegen. Sie hätte nicht kommen sollen.
Letzte Woche, als sie und Lord Penwyck jeden Nachmittag miteinander verbracht hatten, hatte sie noch angenommen, dass er auch auf der Gala an ihrer Seite bleiben und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen würde, doch sie hätte es besser wissen müssen.
Sie hatte keine Ahnung, wieso er sich überhaupt eine Woche freigenommen hatte, um sie herumzuführen, aber offensichtlich war er es nun müde und wollte sich wieder seiner Brautschau widmen.
Schweren Herzens setzte Tessa ein Lächeln auf und begrüßte die elegant, kostümierten Damen und Herren, die sich um sie und Lady Penwyck drängten. Ihre Gemütslage besserte sich erst wieder, als sie eine vertraute Stimme hörte.
»Tessa!« rief Deirdre Randall aus. Sie senkte die Maske, die an einem Stab befestigt war, und umarmte ihre Freundin.
»Du bist die schönste Diana von allen! Und die Einzige, die keine Perücke trägt.«
»Du siehst ebenfalls reizend aus«, erwiderte Tessa und blickte bewundernd auf Deirdres durchscheinendes lavendelblaues Kleid. »Ist Jeffrey auch hier?«
Deirdre nickte. »Ja, er ist hier irgendwo unterwegs. Ich freue mich schon auf den Ball nach den Vorstellungen und dem Souper. Was für ein Spaß, wenn man nicht weiß, mit wem man gerade tanzt!«
»Aber, Deirdre, du bist verheiratet!«
»Schon. Doch ein harmloser kleiner Flirt ist eben…
harmlos. An Jeffreys und meiner Treue gibt es gar keinen Zweifel, wir lieben uns sehr, aber… du wirst eines Tages schon verstehen, was ich meine.«
Sie beschlossen, die große Treppe zum ersten Rang hinaufzusteigen.
Auf halbem Wege fragte Deirdre: »Ist das nicht Mr.
Ashburn? Dort, zwischen den Säulen, im Gespräch mit…«
Sie lachte. »Ich bin nicht sicher, mit wem er gerade spricht.«
Tessa blickte in die Richtung, in die ihre Freundin wies.
Als sie den braunen Brokatrock und die gelben Kniehosen sah, meinte sie: »Ich glaube, das ist Lord Penwyck.«
»Ist der nicht größer als Mr. Ashburn? Vorhin haben Jeffrey und ich mit Sir Reginald Tremayne gesprochen, und er trug das gleiche Kostüm. Ich glaube, das ist Sir Reginald.«
Tessa hoffte, dass ihre Freundin Recht hatte, denn sie wollte dem Earl nicht begegnen.
Mr. Ashburn begrüßte sie erfreut, sagte ihnen, wie reizend
Weitere Kostenlose Bücher