Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
zurück, nahm
ein Bad und setzte sich im Morgenrock ins Bett, um an ihrem fast beendeten
Roman weiterzuschreiben.
Am nächsten Morgen stand Melissa mit
klopfendem Herzen am Bahnhof und wartete auf die Ankunft von Keith' Zug.
Ihr Bruder lächelte freundlich, als
er auf den Bahnsteig trat. »Hallo, Kleines«, sagte er, und schon seine bloße
Anwesenheit löschte viele ihrer Ängste aus.
Melissa küßte ihn auf die Wange.
»Ich habe mir solche Sorgen gemacht!« schalt sie ihm. »Ist alles in Ordnung zu
Hause?«
Keith berührte ihre Wange. »Alles
bestens, Liebes«, sagte er und schien noch etwas hinzufügen zu wollen, als sein
Blick auf jemanden fiel, der hinter Melissa stand.
»Hallo, Quinn.«
Melissa versteifte sich und warf
Quinn einen warnenden Blick zu, um zu verhindern, daß er alles ausplauderte,
bevor sie Gelegenheit hatte, es ihrem Bruder selbst zu sagen.
Quinn lachte, als hätte sie etwas
außergewöhnlich Lustiges gesagt, und erwiderte Keith' Händedruck. »Willkommen«,
meinte er und ging dann zu seinem Haus voran, obwohl er vorher absichtlich den
Eindruck entstehen lassen hatte, daß er und Melissa gemeinsam gekommen waren.
Melissa unternahm nichts, um das zu ändern, obwohl ihr klar war, daß sie Keith
nicht belügen konnte, was ihre Situation betraf. Irgendwann im Laufe des Tages
mußte sie ihm die Wahrheit sagen ...
Becky hatte ein köstliches Essen
vorbereitet, das Keith zu einem wehmütigen Lächeln veranlaßte. Anscheinend
hatte ihm der Anlaß seines Besuchs den Appetit verschlagen.
Melissa ging es nicht besser. Auch
sie begnügte sich mit einer Tasse Tee.
»Was ist?« fragte sie ihren Bruder
schließlich, weil sie die nervöse Spannung nicht mehr aushielt. Als Quinns Hand
sich unter dem Tisch um ihre schloß, ließ sie es geschehen und machte keinen
Versuch, sie ihm zu entziehen.
Keith lehnte sich seufzend zurück.
»Jemand hat euch sicher geschrieben, daß wir die Windpocken im Haus hatten«,
begann er.
Melissa nickte. »Ja, Fancy.«
Keith zögerte, dann fuhr er leise
fort: »Jeff hatte hohes Fieber, und fast hätten wir ihn verloren. Während
seiner Fieberanfälle erzählte er mir etwas, was er und Adam lange Zeit vor dem
Rest der Familie verborgen hatten.«
Melissa umklammerte Quinns Hand.
»Sprich weiter«, flüsterte sie.
Keith seufzte. »Ich weiß nicht, ob
ich es dir erzählen soll — Adam und ich haben lange darüber diskutiert. Er hält
es für besser, die Dinge ruhen zu lassen, aber ich finde, du hast ein Recht,
die Wahrheit zu erfahren. Ob wir es dann Mama sagen oder nicht, werden wir
danach entscheiden.«
»Keith!« rief Melissa gequält, und
Quinns Daumen glitt beruhigend über ihre Hand.
Ihr Bruder schloß für einen Moment
die Augen. Und dann kam etwas, was Melissa zutiefst erschütterte. »Papa ist gar
nicht gestorben, als Adam und er den Unfall auf dem Wasser hatten. Er lebte
noch fünf Jahre weiter.«
Das Zimmer begann sich um Melissa zu
drehen. »Nein!« flüsterte sie. »Nein ... das kann nicht wahr sein!«
Quinn stand auf, trat hinter Melissa
und legte ihr tröstend die Hände auf die Schultern. Sie hatte ihm von ihrem
Vater und dem Schiffsuntergang, bei dem er angeblich ums Leben gekommen war,
erzählt. Und wie sehr sie als dreizehnjähriges Mädchen unter dem Verlust
gelitten hatte.
Keith stand ebenfalls auf und ging
vor Melissa in die Hocke. Er nahm ihre Hände und drückte sie fest. »Papa war
sehr krank, Kleines. Sehr, sehr krank.«
Tränen raubten ihr die Sicht. »Wir
hätten ihn gepflegt, Mama und ich!«
Ihr Bruder wischte ihr sanft die
Tränen ab. »Ich weiß, Kleines.. Aber er hatte triftige Gründe für sein
Verhalten.«
Melissa hatte sich ein wenig von
ihrem anfänglichen Schock erholt. »Wo war er, Keith? Wo war er all die Zeit?«
»Weißt du noch, wie Adam immer diese
geheimnisvollen Ritte in die Berge unternahm, als Banner anfangs bei uns war?
Papa lebte dort oben in einer Hütte.«
Quinns Griff um Melissas Schultern
verstärkte sich. »Warum?« flüsterte sie. »Sag mir, warum Papa sich vor uns
verborgen hat, Keith... und warum Adam uns nichts davon gesagt hat!«
»Papa hatte Lepra, Melissa«, sagte
Keith, und nun standen auch in seinen Augen Tränen. »Er befürchtete, wir
könnten uns anstecken, und Adam hatte auch Angst davor.«
Mit zitternden Händen griff Melissa
nach einer Serviette und trocknete ihre Tränen. »Ich begreife nicht, wie du so
ruhig sein kannst«, sagte sie anklagend zu Keith. »Jeff und Adam hatten kein
Recht, uns
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