Cordina's Royal Family 1-4
Selbstbeherrschung noch so groß sein?
Was war nur los mit ihr? Müde rieb sie sich die Augen. Sie war verärgert gewesen, als sie dachte, er habe sie begehrt, nur um mit Bennett zu konkurrieren. Sie war wütend gewesen, da er sie begehrt, sich aber zurückgehalten hatte, weil er geglaubt hatte, sie habe mit seinem Bruder geschlafen. Und sie war aufgebracht gewesen, weil er es nicht länger glaubte und sie dennoch begehrte. Jetzt war sie unglücklich, weil er sie vielleicht nicht so sehr begehrte, wie sie geglaubt hatte.
Was will ich überhaupt? fragte sie sich. In der einen Minute wollte sie Alexander, in der nächsten zog sie sich zurück, denn sie wusste, es konnte nichts Dauerhaftes, nichts Ernstes zwischen ihnen geben. Ein Mann wie Alexander musste heiraten, und zwar standesgemäß. Er musste Erben hervorbringen, königliche Erben. Selbst wenn er sie begehrte, selbst wenn sie ihm alles bedeutete, musste er sich eine Frau aus dem europäischen Adel suchen.
Überrascht, dass ihre Gedanken diese Richtung einschlugen, schüttelte sie den Kopf. Seit wann dachte sie über den Augenblick hinaus an mehr als eine Affäre, an etwas Beständiges?
Sie kannte sich aus mit Männern – wusste, wann sie sich von einer Frau angezogen fühlten, sie begehrten oder sie nur für ein, zwei Nächte als Spielzeug benutzen wollten. Und sie verstand mit ihnen umzugehen.
Warum nur kannte sie diesen Mann so wenig? Stundenlange, nächtelange Versuche, die Antwort darauf und einen Zugang zu Alexander zu finden, hatten nur dazu geführt, dass sie einen Einblick in sich selbst fand.
Sie war in ihn verliebt. Selbst ihre gelegentlichen Ängste und ihre ständigen Zweifel vermochten das Ausmaß ihrer Gefühle nicht zu vermindern.
Und Ängste hatte sie. Sie war eine Frau, die die meiste Zeit ihres Lebens von einem nachgiebigen Vater und einer verwöhnenden Schwester behütet worden war. Ihre erst vor wenigen Jahren getroffene Entscheidung, eigene Wege zu gehen, war aus einer Laune und aus Neugierde heraus entstanden. Sie hatte keine ernsthaften Gefahren in sich geborgen. Wäre sie gescheitert, hätte sie jederzeit das Sicherheitsnetz aus Familie und Familienvermögen unter sich gehabt.
Selbst wenn sie ihr persönliches Erbe verschleudert hätte, hätte sie sich wohl kaum alleine abstrampeln müssen.
Nachdem sie einmal angefangen hatte, dachte sie nicht mehr daran, ihre Familie zu benutzen, um erlittene Schläge leichter zu ertragen. Ihre Truppe war zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden, deren Erfolg oder Misserfolg zu ihrem eigenen.
Sie hatte Erfolg gehabt und durch Können und Fleiß etwas aus sich gemacht. Das wusste sie, davon war sie überzeugt, dennoch war ihr klar, dass das Risiko stets gering gewesen war.
Bei Alexander gab es kein Netz, das den Sturz sanfter werden ließ. Und ein Sturz durch ihn wäre ein Sturzflug ohne Augenbinde aus einer gefährlichen Höhe. Das Risiko bestand und war ebenso Furcht erregend wie die Versuchung, es einzugehen.
Wenn sie den Schritt über den Abgrund tat und damit rechnete, zu überleben, wäre sie eine Närrin. Aber irgendetwas sagte ihr, dass sie, wenn sie auf Nummer sicher ging und ihre Füße weiterhin auf festem Boden hatte, eine noch größere Närrin war.
Hin- und hergerissen zwischen gesundem Menschenverstand und Gefühlen, ließ sie sich auf die Fensterbank sinken und die frische Meeresluft ihre Haut kühlen.
Alexander wusste nicht, wie er noch eine Nacht überstehen sollte.
Seine Zimmer waren ruhig, vom Geräusch her, von der Stimmung her.
Sie waren in Grün- und Elfenbeintönen gehalten, Kühle gegen Wärme, und Gemälde von Meer und Küste beherrschten die Wände. Bilder von ruhiger See in seinem Schlafzimmer, in das er meistens kam, um allein zu sein und nachzudenken. In dem dahinter liegenden Wohnzimmer dominierten kräftigere, lebhaftere Farben. Meist empfing er seine Freund lieber hier als in seinem Büro oder in den Familienräumen. Es war groß genug für ein gemütliches Beisammensein zum Essen oder Kartenspiel.
Ohne Hemd und ohne Schuhe ging er in seinem Schlafzimmer auf und ab, um seine Emotionen in den Griff zu bekommen, die ihn während des langen, ermüdenden Diners verfolgt hatten.
Nein, er war nicht sicher, dass er noch eine Nacht überstehen konnte.
Eve war nur ein paar Räume entfernt, durch ein paar Wände von ihm getrennt, die er in seiner Vorstellung schon unzählige Male durchbrochen hatte. Und sie schlief. Er dachte wenigstens, dass sie schlief, während
Weitere Kostenlose Bücher