Corellia 01 - Der Hinterhalt
ihre Fähigkeiten nicht weiterentwickelt zu haben. Und wenn ich mich nicht irre, haben Sie in dieser Angelegenheit wiederholt versucht, sanften Druck auf sie auszuüben.«
»Nun... ja.«
»Ärgert es Sie nicht, daß Ihre Schwester ein großes Potential hat, sich aber weigert, ihre Fähigkeiten zu entwickeln? Daß sie ihre Gabe nicht nutzt? Halten Sie es nicht auch für eine nahezu skandalöse Verschwendung?«
Luke hob den Kopf und sah Mon Mothma direkt in die Augen. Die Wahrheit. Das war es, was sie wollte - und er, so wurde ihm bewußt, wollte sie ihr geben. Die volle, ungeschönte Wahrheit. »Ja«, sagte er bedächtig und ernst. »Ja, ich halte es für eine Verschwendung.«
»Dann, Luke Skywalker, sollten Sie bedenken, daß manche Spiegel zwei Seiten haben.« Plötzlich hatte ihre Stimme und ihr Wesen alle Freundlichkeit und Zurückhaltung verloren.
»Wie meinen Sie das, Ma'am?« fragte Luke. Ihm fiel auf, daß er seit seiner Ankunft Schwierigkeiten hatte, Mon Mothmas Gefühle zu erkennen. Hinter ihrer gelassenen Art hatte sich ein Thema verborgen, das sie mit großer Leidenschaft verfolgte. »Ich verstehe nicht.«
»Ich habe es immer wieder und von den verschiedensten Leuten gehört«, erklärte sie leicht gereizt. »Daß Sie und Ihre Zwillingsschwester das gleiche Potential geerbt haben, daß aber nur einer von Ihnen es genutzt hat, während sich der andere Zwilling mit anderen, weniger wichtigen Dingen beschäftigte. Die Leute halten es für eine Schande. Und immer meinen sie damit Leia Organa Solo, die Staatschefin der Neuen Republik. Es heißt, daß die Staatschefin zu wenig aus sich gemacht hat!«
»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?« fragte Luke mit zunehmender Verärgerung.
»Ich denke, es ist höchste Zeit, daß auch Luke Skywalker einige Entscheidungen trifft. Es ist höchste Zeit für Sie, über die Tatsache nachzudenken, daß auch Sie über ein Talent und Potential verfügen, das Sie nie weiterentwickelt haben.«
»Zum Beispiel?« sagte Luke.
»Wenn Leia ein Potential der Macht in sich trägt, weil Sie, Ihr Bruder, es nachweislich besitzen - folgert daraus dann nicht auch, daß Sie ein Potential in anderen Bereichen haben, weil Leia, Ihre Schwester, es nachweislich besitzt? Sie ist eine Führerin geworden, eine Staatsfrau, eine Politikerin, eine Ehefrau und Mutter. Sie baut die Neue Republik auf und zieht gleichzeitig eine neue Generation von Jedi groß. Werfen wir noch einmal einen Blick in den Spiegel«, fuhr Mon Mothma fort. »Die Republik braucht eine neue Generation politischer Führer. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewußt ist oder nicht, aber es ist unausweichlich, daß Sie in die Politik gehen, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht.«
»Ich?« wiederholte Luke. »Aber ich bin...«
»Ein Held der Rebellion. Sie sind in der ganzen Republik und auf Hunderten von anderen Welten berühmt. Die verschiedenen Machtgruppen werden sich keiner Persönlichkeit widersetzen können, die so bekannt und so beliebt ist oder ein so hohes Ansehen genießt wie Sie. In den nächsten Jahren werden Sie zwangsläufig zu einem Brennpunkt der politischen Entwicklung werden.«
»Aber ich bin ein Jedi-Ritter«, protestierte Luke. »Ein Jedi-Meister. Ich kann nicht in die Politik gehen. Außerdem will ich es nicht.«
Mon Mothma lächelte. »Wie oft haben Sie im Leben das getan, was Sie wollten? Aber lassen Sie uns über die Jedi sprechen, über das, was mir wirklich am Herzen liegt. Was soll aus den Jedi werden?«
»Es tut mir leid«, sagte Luke. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.« Er hatte den Eindruck, als würde die ganze Unterhaltung nur aus Rätseln bestehen. Wenn die Jedi das wichtigste Thema dieses Gesprächs waren, warum hatte sie dann bis jetzt damit gewartet? Und was ihre Frage betraf, so waren die Jedi eben Jedi. Was sollte anderes aus ihnen werden?
»In Ordnung«, nickte Mon Mothma. »Lassen Sie es mich anders formulieren. In den nächsten Jahren, wenn die Zahl der Jedi wächst und aus einer Handvoll Schüler ein Orden aus Tausenden von Rittern wird - werden sie sich dann als eine Art elitärer Priesterschaft oder als eine Gruppe von Kriegern etablieren? Werden sie sich von den normalen Leuten durch ihre Privilegien und eine Aura des Geheimnisvollen abheben, nur sich selbst verantwortlich sein? Oder werden sie dem Volk dienen, für das Volk da sein? Werden sie ein Teil des Volkes, der Bürgerschaft, sein oder außerhalb stehen?«
Luke hatte über diese Frage bisher noch nicht nachgedacht.
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