Corellia 01 - Der Hinterhalt
wußte, war ihr Infiltrationsversuch zum Teil ein Täuschungsmanöver, um den Gegner von der Ankunft des wirklichen Agenten abzulenken. Eigentlich hätte der Gedanke, nur ein Köder zu sein, sie ärgern müssen, aber so war nun einmal der Lauf der Welt - zumindest der Welt der Spione. Wenn man keine Figur auf einem Spielbrett sein wollte, ging man am besten erst gar nicht zum Dienst.
Aber das gab ihr wenigstens die Hoffnung, daß selbst dann, wenn sie versagte, wenn sie nicht herausfand, was in diesem Irrenhaus von einem System vor sich ging, ein anderer Agent Erfolg haben würde. Vielleicht machte ihr deshalb die Vorstellung nichts aus, nur ein Köder zu sein. Wenn sie ein Köder war, im Einsatz starb und die Corellianer im richtigen Moment ablenkte, dann hatte ihr Tod zumindest einen Sinn.
Das war kein großer Trost, aber mit den Corellianern im Nacken, abhängig von einem Triebwerk, das jeden Moment versagen konnte, und mit der Aussicht auf eine nächtliche Wasserlandung konnte Lieutenant Kalenda jeden Trost gebrauchen, den sie bekommen konnte.
Kalenda wurde abrupt von einem durchdringenden Summen geweckt. Sie blinzelte, sah sich um, erinnerte sich, wo sie war, und wünschte es sofort wieder zu vergessen. Aber was hatte den Alarm ausgelöst? Hatte irgendein System dieser Schrottkiste versagt? Sie überprüfte ihre Kontrollpulte, und ihre Augen leuchteten auf, als ihr Blick auf das Chronometer fiel. Gut. Kein Maschinenschaden. Das Summen gehörte zur guten alten Weckfunktion. Zeit, aufzuwachen und sich auf den Wiedereintritt vorzubereiten. Sie drückte einen Knopf, rutschte auf dem Pilotensitz hin und her und streckte sich, so gut es ging, in dem vergeblichen Versuch, ihre verkrampften Muskeln zu entspannen.
Jetzt waren ihre Pilotenkünste gefragt. Einen antriebslosen Frachter per Hand in die Atmosphäre zu steuern, war selbst unter idealen Bedingungen keine leichte Sache. Aber dies nachts zu wagen, über feindlichem Gebiet, ohne Hilfe eines Raumlotsen, mit einem schwerbeschädigten Schiff, würde ihr alles abverlangen - und vielleicht sogar noch mehr.
Sie mußte sich zusammenreißen. Es hatte keinen Sinn, mit einer derart negativen Einstellung an die Sache heranzugehen. Sie mußte positiv denken, daran, daß der Frachter ein solides Schiff war, das schon eine ganze Menge ausgehalten hatte. An ihre Ausbildung und ihre genaue Kenntnis aller verfügbaren corellianischen Landkarten. Es war höchst unwahrscheinlich, daß irgend jemand nach ihr Ausschau hielt und selbst wenn, würde es verdammt schwer sein, sie aufzuspüren.
Ja, das war die richtige Einstellung. Positive Gedanken. Sie überprüfte ein letztes Mal alle Systeme und wünschte, sie würden besser funktionieren, obwohl sie gleichzeitig dankbar dafür war, daß sie nicht schlimmer aussahen. Sie blickte durch die Sichtluke zur riesigen Kugel Corellias hinüber, wunderschön und düster, so nah, daß sie fast glaubte, nur die Hand ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Sie befand sich inzwischen auf der Nachtseite des Planeten, aber Corellia lag keineswegs in tiefer Dunkelheit. Hier und dort glitzerten die Lichter der Städte, und das Sternenlicht wurde von grauen Wolkenbänken, einem grauen Himmel und dem schwarzen Land reflektiert, so daß alles von innen her zu leuchten schien und die schlafende Welt unter ihr übersät wirkte von Knoten und Spiralen und Punkten aus Licht.
Eine schöne Welt, und eine voller Gefahren. Sie würde dort unten vorsichtig sein müssen. Vorausgesetzt, sie überlebte. Sie warf einen Blick auf die Countdownuhr. Nur noch wenige Sekunden bis zum Abschalten des Triebwerks.
Normalerweise setzte man mit aktivierten Triebwerken zur Landung an und bremste mit der brutalen Kraft der Schiffsmaschinen von Orbitalgeschwindigkeit auf Fluggeschwindigkeit ab. Aber das einzige noch funktionierende Triebwerk ihres Frachters war für ein derartiges Manöver nicht stark genug. Sie mußte es auf die altmodische Weise machen, in die Atmosphäre eintauchen und sich von der Luftreibung abbremsen lassen, statt auf die Maschinenkraft des Schiffes zu vertrauen. Theoretisch war ihr Frachter so konstruiert, daß er ein derartiges Noteintauchmanöver aushalten mußte, aber sie war ganz und gar nicht glücklich darüber, die Theorie in der Praxis zu überprüfen. Nicht, daß sie in diesem Punkt eine Wahl hatte. Die Countdownuhr zählte die Sekunden bis zum Maschinenstopp und erreichte viel zu früh die Null. Ihr einziges noch funktionierendes
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