Corellia 01 - Der Hinterhalt
aufregenden Tage und die magischen, geheimnisvollen Nächte gehörten der Vergangenheit an. Die Verkaufsstände existierten nicht mehr, und die breite Allee war menschenleer. Die meisten Läden waren mit Brettern vernagelt, aber viele wiesen auch Brandspuren auf, und bei manchen waren die Schaufenster eingeworfen. Bis auf das Rauschen des Windes und das Rascheln kleiner Aasfresser, die vor Hans Schritten in dunkle Ecken flohen, war alles still. Es roch nach Mehltau und vertrocknetem Unrat, nach faulendem Holz und brackigem, schmutzigem Wasser.
Verkrüppelt wirkende Bäume und hohes Unkraut wuchsen hier und da auf der verlassenen Straße - und aus den zersplitterten Schaufenstern zahlreicher Läden. Von den glücklichen Tagen und Nächten aus Hans Erinnerung waren nur Fetzen alter, verwitterter Markisen und ein paar Haufen aus vergessenen Stangen und zerbrochenen Klapptischen übriggeblieben.
Alles war fort. Fort und für immer verloren. In einem anderen Leben, das jetzt so fern schien, als hätte es einem anderen Menschen gehört, war die Schatzschiffpromenade für den jungen Han ein Ort der Mysterien, der Magie und des Vergnügens gewesen, der Verlockungen und Gefahren. Aber jetzt war die Magie fort, und die Schatzschiffpromenade war leer und vergessen.
Han erinnerte sich an einen berühmten Schauspieler, dem er einmal begegnet war. Er hatte den Mann zuerst von der vierten Sitzreihe eines Theaters aus gesehen. Der Schauspieler hatte einen schmucken jungen Lieutenant gespielt, und Han hatte noch nie zuvor einen Mann gesehen, der so vital, so lebendig, so voller Kraft war wie dieser imaginäre Offizier. Später hatte er sich hinter die Bühne geschlichen und kühn die Garderobe des Schauspielers betreten. Er sah das Kostüm am Kleiderständer hängen, die Perücke und das Schwert und sogar die künstliche Nase der dargestellten Figur auf einem Tisch liegen. Und inmitten all dieser Dinge saß ein müder alter Mann mit grauem Gesicht und erloschenen Augen.
Han hatte nur mit größter Mühe akzeptieren können, daß dieser alte Mann noch vor wenigen Momenten der schmucke junge Offizier gewesen war, daß dieser alte Mann, der sich vor der Nacht fürchtete und klagte, keine andere Rolle zu haben, noch vor wenigen Momenten auf der Bühne gestanden und dem Universum getrotzt hatte.
Alles Besondere und Aufregende und Spannende, all die Illusionen waren der Schatzschiffpromenade genommen worden, bis nur noch die brutale Realität einer schmutzigen Straße übrigblieb.
Han ging die Straße bis zum Ende hinunter, bog dann in die Sternlinienallee und näherte sich der Stadtmitte. Er mußte mehr sehen, auch wenn er sich innerlich dagegen wehrte.
Es war nicht alles verfallen, erkannte Han. Nur fast alles.
Während er weiterging, entdeckte er hier und dort bewohnte Häuser und geöffnete Geschäfte, und manche machten sogar den Eindruck, als würden sie florieren. Aber Han wußte, daß er nach Strohhalmen griff. Coronet City war nur eine größere Ausgabe der Schatzschiffpromenade.
Der einzige Unterschied war, daß die Schatzschiffpromenade völlig tot war - im Gegensatz zur Stadt. Die Straßen waren nur halb, nicht völlig leer. Es gab Fahrzeuge auf den Straßen, auch wenn viele von ihnen nur Wracks waren und noch immer dort standen, wo man sie vor Monaten oder Jahren zurückgelassen hatte. An fast jeder Straßenecke lungerten Obdachlose und Tagediebe herum.
Und fast alle, die er sah, waren Menschen. Nur sehr selten bekam er einen Drall oder Selonianer zu Gesicht. Jede dieser Spezies hatte ein eigenes Viertel in der Stadt bewohnt, aber in den alten Tagen war dies nicht weiter von Bedeutung gewesen. Selonianer kauften in den Drall-Geschäften ein, Menschen besuchten ihre selonianischen Freunde zu Hause, Drall strömten in die Theater der menschlichen Viertel.
Jetzt nicht mehr. Heute hatte niemand Geld oder Arbeit, und jeder mußte für sich selbst sorgen - und auch auf sich aufpassen.
Eigentlich hätte es ihn nicht überraschen dürfen. Das wußte er jetzt. Fast alle wichtigen Industriezweige Corellias waren auf die eine oder andere Weise vom Handel abhängig gewesen. Unterhaltung für die Schiffscrews, Finanzdienstleistungen für die Reedereien, Droidenherstellung und -reparatur, Schiffsbau und -instandhaltung. Selbst die kriminellen Ableger dieser Industrien hatten ohne den Handel nicht existieren können. Betrügerisches Glücksspiel, Geldwäsche, Schmuggel, Droidenmanipulation und illegale Aufrüstung von Schiffen -
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