Corellia 02 - Angriff auf Selonia
Schwester, aber sie sterben vor acht Tagen bei Unfall. Jetzt haben ich ihre Auf gabe.«
»Es tut mir leid, daß deine Schwester gestorben ist«, murmelte Han.
»Mir auch. Meine Ausbildung in menschlichen Sitten und Bräuchen sein noch nicht fertig.«
Han sah Dracmus überrascht an. Wie konnte sie nur so herzlos sein? Aber dann fiel ihm ein, daß sie vielleicht drei hundert Schwestern hatte. Der Tod einer Schwester konnte sie deshalb kaum tief berühren. Für sie mußte es wie der Tod einer entfernten Verwandten für einen Menschen sein. Und wenn die Sterilen in jedem Stock ohnehin alles Klone waren, hatte der Verlust einer Schwester nicht viel zu bedeuten – es gab noch zwanzig oder fünfzig andere, die genetisch absolut identisch waren. »Nun, mir scheint, daß du auch ohne abgeschlossene Ausbildung gut mit Menschen umgehen kannst.«
»Das ist sehr freundlich, ehrenwerter Solo, aber wir schweifen ab von Thema«, sagte sie, nun etwas weniger holprig. »Wir müssen über Lügen reden. Für uns sein Lügen so fremd wie Familien. Wir Selonianer können lügen, aber wir keine Erfahrung damit haben. Für uns sein Lügen ein Verbrechen. Nicht kleines Verbrechen wie für euch, sondern großes Verbrechen, wie Mord.«
»Lügen kann ein Verbrechen sein«, nickte Han, aber dann fielen ihm ein paar der phantasievoll ausgeschmückten Ge schichten ein, die er im Lauf der Jahre erzählt hatte. »Aber wir sehen es meistens nicht so eng.«
»Genau. Ihr haben Talent zum Lügen. Ihr kennen den Un terschied zwischen großen und kleinen Lügen. Selonianer sein schlechte Sabaccspieler, schlecht in allen Spielen, wo man Wahrheit verbergen muß. Ich denken, für Menschen sind Lügen kleines Verbrechen, weil ihr so allein seid. Eine Lüge trifft nur einen, verletzt nur einen. Sie kann geheim bleiben. Selonianer leben alle in einem Stock. Lüge trifft alle. Alle wissen. Keine Geheimnisse, alle verletzt. Kannst du fol gen?«
»Sicher«, brummte Han, der sich inzwischen an ihre un beholfene Ausdrucksweise gewöhnt hatte. »Ich nehme an, jemand hat dir irgendwelche Lügen erzählt, und du willst meine Meinung dazu hören.«
»Ja! Ja! Ich froh sein, ich dich nicht im Kampf töten.«
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, versicherte Han. »Aber um welche Lügen geht es?«
»Zuerst, bitte, du merken, wenn dein Vetter Thrackan lü gen?« fragte Dracmus.
»Manchmal«, antwortete Han. »Gestern nacht dachte er, ich wüßte weniger, als ich tatsächlich weiß. Er hat mir Dinge erzählt, die nicht mit meinen Informationen übereinstimmten. Er hat sogar zugegeben, mich belogen zu haben – aber nicht gesagt, in welchen Punkten.«
»Aber wenn du nicht mehr wissen. Wenn du nur seine Worte haben – du merken, wenn er lügt?«
Han dachte einen Moment nach. »Manchmal. Teilweise. Und ich kann Vermutungen anstellen, ob sich hinter seinen Lügen vielleicht ein paar Wahrheiten verbergen.«
»Beispiel? Bitte geben mir Beispiel, damit ich verstehen.«
»Warum ist das so wichtig für dich?« konterte Han. Er fragte sich, wie weit er Dracmus vertrauen konnte. Bis jetzt hatte sie sich anständig benommen – aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, worauf sie hinauswollte oder warum sie in einem Gefängnis der Menschenliga gelandet war. Er konnte nur davon ausgehen, daß der Feind seines Feindes ein po tentieller Freund war.
»Ich geben Erklärung später, wenn Zeit kommt. Aber es sein wichtig. Bitte.«
Han überlegte und entschied, daß das Risiko zu groß war. Er mußte mehr wissen. »Nein. Erkläre es mir zuerst. Warum interessiert du dich so sehr für menschliche Lügen?«
Dracmus zögerte. Sie stand auf, ging zur Zellentür, dann wieder zurück zu ihrer Pritsche und peitschte mit ihrem Schwanz. »Es sein schreckliches Problem. Ich muß mehr wis sen über menschliche Sitten. Tod meiner Schwester ist gro ßes Unglück.«
»Was ist das Problem?« fragte Han.
»Ich bitten um Erklärung für menschliche Lügen, aber du nur erklären können, weil du gut darin sein. Ich denken, du sein guter Lügner, ganz bestimmt, ehrenwerter Solo.«
»Danke«, sagte Han. »Das habe ich schon oft gehört.«
»War tödliche Beleidigung, kein Kompliment«, verriet Dracmus. »Aber deine Reaktion mich bestätigen. Wenn ich dir mehr sagen, ich dir Dinge sagen müssen, die andere nicht wissen dürfen. Aber wie kann ich Menschen vertrauen, der stolz ist auf sein gutes Lügen?« Sie machte eine weit aus holende Handbewegung. »All das ist vielleicht Trick, damit
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