Corina 01 - Dämonisch verführt
tränten - ich wagte nicht zu blinzeln, falls sich das Wesen plötzlich bewegte. Es sank zu Boden, krümmte sich mit der wie knochenlosen Agilität einer Katze, trat einen fließenden Schritt zur Seite und kam dann erneut auf mich zu. Sein Schatten fiel auf mich, und ich versuchte, mich hinter dem Fass in die richtige Position zu bringen. Ich wusste, dass ich nur eine Chance bekam - das Tier war zu intelligent, als dass es ein zweites Mal darauf hereinfallen würde -, und deshalb ließ ich mir Zeit. Ich stützte den Rücken an die Wand, brachte die Füße ans Fass und bemühte mich, dem Stechen in meinen Oberschenkeln einfach keine Beachtung zu schenken. Als ich vor mir nichts anderes sah als Schwärze, stieß ich mit all meiner Kraft.
Das Fass flog aus seiner Halterung, stieß gegen das Geschöpf und zwang es an die gegenüberliegende Wand zurück. Ich hörte das Knirschen von Knochen, dann nichts mehr, doch ich traute der Stille nicht. Vorsichtig wich ich zur Seite, kehrte in das Weinprobezimmer zurück und nahm die größte der dortigen Lampen. Mit ihr trat ich wieder in den Flur, setzte sie aufs Fass und suchte nach dem Kopf des Wesens, mit der Absicht, das Messer mindestens in eins der beiden so beunruhigenden Augen zu stoßen.
Dann schien die Zeit anzuhalten, als ich sah, wie die blutige Klinge das Licht der Lampe reflektierte. Es war das Messer aus meinem Traum, das Familienwappen halb unter dem Blut verborgen. Wie passend, dachte ich, und mir drehte sich der Kopf. Doch bevor ich mir einen Reim darauf machen konnte, schrie Radu meinen Namen. Ich eilte dorthin, wo er in einer großen Pfütze seines besten Jahrgangs lag. Hart wie Stahl schloss sich seine Hand um meinen Unterarm. »Jonathan hat ihn«, brachte er hervor. Seine Stimme klang seltsam. »Der verdammte Magier hat mich mit etwas getroffen .... Ich glaube, er hält mich für tot.«
»Er scheint halb recht zu haben.« Plötzlich sah ich den Grund für den seltsamen Klang der Stimme: Radus Brust war weit aufgerissen, und durch die zertrümmerten Rippen sah ich weißes Lungengewebe. Für seine Stimme gab es keinen Resonanzraum mehr.
Radu lächelte matt. »Von wegen. So leicht bin ich nicht umzubringen.«
»Radu…«
Er griff noch fester zu. »Es gab nie Ehre in mir, Dory. Mein ganzes Leben lang bin ich hinterhältig, heimtückisch und unehrenhaft gewesen. Genau wie Vater.« Ein irres Blubbern kam aus seiner Kehle, zusammen mit viel Blut.
»Nur eins .... Nur eins habe ich richtig gemacht. Eine Sache .... Lass nicht zu, dass der Mistkerl ihn wegbringt.«
Bevor ich antworten konnte, zitterte und zerbrach die Luft, als ein lautloser Schrei erklang. Irgendwo in der Nähe war Kraft freigesetzt worden, und zwar ziemlich viel. Louis-Cesare, dachte ich, vergaß alles andere und stürmte los.
In der Weinkellerei gab es Glühbirnen an der Decke, aber derzeit leuchteten sie nicht. Hier und dort standen einige Laternen, und ihr Licht erschien mir fast unnatürlich hell, als ich aus dem dunklen Flur gesaust kam. Der Raum war größer als erwartet und erstreckte sich über zwei Etagen. Der untere Bereich enthielt die stählernen Bottiche, in denen die Gärung stattfand. Wie dicke Wächter standen sie an den Wänden und zeigten mir Spiegelbilder meines Gesichts. Eine Holztreppe führte nach oben zu einem Laufsteg, der Zugang zum Rest des Gebäudes gewährte, und dort sah ich andere Gesichter: Caedmon, Drac und Olga sahen herab, aber ihre Blicke galten nicht mir, sondern einem Magier, der in der Mitte des Raums auf dem Boden lag, so schlaff und reglos wie eine Puppe, die ein zweijähriges Kind weggeworfen hatte. Ich brauchte nicht nachzusehen, um sicher zu sein, dass er tot war. Leider handelte es sich nicht um Jonathan.
Drac löste sich als Erster aus der Starre und sprang Caedmon entgegen, der dem Hieb auswich und einen Sekundenbruchteil später sein Rapier oben hatte. Der Laufsteg bot nicht viel Platz, aber Caedmons Bewegungen waren perfekt, ein glattes Fließen von Muskeln und Sehnen. Dracs Stil war nicht annähernd so elegant, aber durchaus effektiv. Caedmon blutete an mehreren Stellen, Drac nur am Arm. Schade, dass es nicht sein Schwertarm war.
Meine Aufmerksamkeit war so sehr vom Geschehen auf dem Laufsteg gefesselt, dass ich das leise Rascheln von Flügeln hinter mir erst bemerkte, als sich der Raum plötzlich mit dem zornigen Heulen des Anführers füllte. Aus dem Dunkeln kommend, hielt er auf mich zu, und eine Schwinge streifte über den Boden. Ich
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