Corina 01 - Dämonisch verführt
das zu seiner üblichen Verhandlungstaktik gehörte. Aber dann begann er zu weinen, und das machte mich nervös. Ich hasse es, wenn jemand flennt. Am liebsten hätte ich ihm eine gepfeffert, damit er aufhörte, aber vielleicht hätte er dann noch lauter geheult. Und ich durfte ihm nicht sagen, dass das mit dem Kopfgeld ein Bluff gewesen war, denn nur damit konnte ich ihm genug Angst einjagen, damit er mir gab, was ich wollte.
»Ahm, he, Jay…«
»Ich wusste, dass s-so etwas p-passieren würde«, greinte er und sackte in sich zusammen. »Ich wollte verschwinden, aber vorher den Rest meiner S-sachen verkaufen, um genug K-kohle zu haben. Habgier!«, heulte er.
»Ich hätte wissen sollen, dass sie schließlich mein Ende bedeutet!«
»Das ist nicht das Ende, du Dumpfbacke«, sagte ich und zog ihn vom Boden. »Würdest du endlich still sein und zuhören? Ich habe keinen besonders guten Tag. Mach ihn besser, und dir wird nichts geschehen.«
»Aber ich h-habe kaum mehr was übrig«, stöhnte Jay. »Den größten Teil des A-abends hab ich damit verbracht, meinen Kram an den Mann zu bringen, zu Sonderpreisen. Ich hätte etwas für dich zurückgelegt, das schwöre ich dir, Dory, aber ich wusste nicht, dass du in der Stadt bist!« Er begann mit einer zweiten Tränenrunde, und ich hielt vergeblich Ausschau nach einem Papiertaschentuch.
»Ist sonst noch jemand da, der mir helfen kann? Meine üblichen Kontakte sind schneller in der Versenkung verschwunden als du.« Ich sah mich einer persönlichen Apokalypse gegenüber, und das auch noch ohne Waffen.
Typisch. Was die Sache aber nicht weniger unangenehm machte.
Jay wischte sich die Tränen mit der groben Bettdecke ab und sah mich aus wässrigen, mit neuer Hoffnung gefüllten Augen an. Vielleicht würde ihn das blutbesudelte Monstrum doch nicht töten. »Nicht viele«, antwortete er schließlich. »Die dunklen Magier schnappen sich alles, was sie in die Hände kriegen, und als der Senat dahinterkam, nahm er sich ein Beispiel daran, um zu verhindern, dass sich die Dunklen zu viel unter den Nagel reißen. Dann bedrohten beide Seiten die Lieferanten der jeweils anderen Seite und gingen gegen sie vor. Was mich zu der Entscheidung veranlasste, die Stadt zu verlassen.«
»Der Schwarze Kreis plant also etwas, und zwar bald.«
Jay nickte. Er glaubte jetzt, eine Chance zu haben, dieses Gespräch zu überleben, und deshalb war er eifrig darauf bedacht, zu helfen. Warum befürchteten alle Gewalt von mir? Selbst eine Dhampirin konnte mal einen sanften Tag haben.
»Es heißt, die Dunklen hätten einen mächtigen neuen Verbündeten, aber niemand nennt einen Namen.« Da ich Drac in der Gesellschaft von dunklen Magiern gesehen hatte, brauchte ich auch gar keinen Namen. »Die meisten Leute glauben, dass sie noch einmal MAGIE angreifen wollen, aber ich bin mir da nicht so sicher. Es geht das Gerücht, dass ihnen jemand beim ersten Mal Zugang verschafft hat, dass sie einen Maulwurf hatten, der ihnen den Schlüssel zu den Schutzzaubern gab. Aber die sind inzwischen natürlich alle modifiziert worden. Es wäre verrückt von ihnen, einen neuerlichen Angriff zu wagen.«
»Was glaubst du?«
»Was ich glaube?« Jay schien sich plötzlich daran zu erinnern, dass es in unseren Kreisen nicht gut war, eine eigene Meinung zu haben. »Ich glaube gar nichts. Ich will nur weg von hier, bevor…bevor es schlimmer wird.«
Es war kein gutes Zeichen, wenn Dämonen die Flucht ergriffen. Ich seufzte. Vegas musste sich allein durchschlagen; ich hatte andere Probleme. »Na schön, wie wär’s hiermit: Wo ist der Waffenvorrat, den die dunklen Magier angelegt haben?« Jay starrte mich einige Sekunden lang an, und dann begannen seine Lippen zu zittern. Ich befürchtete schon, dass er wieder losheulen wollte, und deshalb war es fast eine Erleichterung, als ich begriff, dass er lachte. Auch wenn es keinen Sinn ergab. »Was ist? Bist du bekifft?«
Jay lachte nur noch lauter. Ich sah mir den Inhalt seines Koffers an, während ich darauf wartete, dass er sich wieder einkriegte. Er hatte recht. Abgesehen von einigen menschlichen Waffen, die ich in einem beliebigen Sportartikelladen klauen konnte, und einem verbraucht anmutenden Tarnzauber in einer verkrusteten alten Ampulle war er sauber.
»Du…du hast es tatsächlich vor, nicht wahr?«, keuchte er schließlich.
»Was?«
»Du willst die Magier überfallen!«
Ich zuckte mit den Schultern. »Kommt darauf an, wie schwer die Sache wird. Aber ich brauche jede Menge
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