Corina 01 - Dämonisch verführt
Vermutlich konnte Louis-Cesare kein Rumänisch lesen, aber Radu war dazu sehr wohl imstande, und ich wollte auf keinen Fall, dass er von Dracs Ultimatum erfuhr.
Ich zog Stinky unter den Sträuchern hervor. »Komm«, sagte ich müde. »Holen wir uns Antworten.«
15
Ich wusste, dass sich Radu nicht über Stinky am Esstisch freuen würde, insbesondere da es ihm mit seiner Herumwälzerei unter den Sträuchern gelungen war, sich wieder schmutzig zu machen. Aber ich wollte den kleinen Kerl nicht sich selbst überlassen. Es wäre alles andere als klug gewesen, ihn frei herumlaufen zu lassen, zumal noch immer höchste Alarmbereitschaft herrschte. Und Radu hatte zweifellos schlimmere Gäste zum Dinner gehabt.
Eigentlich war Stinky an diesem Abend von allen Geschöpfen am Tisch dasjenige, vor dem man sich am wenigsten fürchten musste.
Wie sich herausstellte, befand sich der Speisesaal vom Wohnzimmer aus gesehen auf der anderen Seite des großen Eingangsbereichs, aber dorthin gingen wir nicht. Vermutlich glaubte Radu, dass der Tisch, der gut und gern vierzig Personen Platz geboten hätte, für ein Essen in vertrauter Runde etwas zu groß geraten war. Stattdessen wurde ich die Treppe hinunter in einen Weinkeller geführt, wo ein Tisch für fünf Personen gedeckt war. Ich setzte Stinky auf den Stuhl neben mir und nickte Olga zu. Sie neigte den großen Kopf, und der Umstand, dass sie mich erkannte, wies darauf hin, wie viele Lampen Radu angezündet hatte. Er ging ganz in der Rolle des aufmerksamen Gastgebers auf und sorgte dafür, dass es auch ohne elektrischen Strom genug Licht für die schwachen Trollaugen gab.
Geoffrey legte wortlos ein weiteres Gedeck auf, ohne mich oder den haarigen Ball neben mir anzusehen, und führ dann damit fort, Wein einzuschenken.
Louis-Cesare aß nicht - so viel zum Klischee über Franzosen und gutes Essen und er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung dem Elfen gegenüber. Zum Glück stand er in dem Ruf, ein guter Kämpfer zu sein.
Caedmon schien es völlig gleich zu sein, was Louis-Cesare von ihm hielt. Er hatte rechts von mir Platz genommen und schlüpfte in die Rolle des perfekten Dinner-Gastes. Wortgewaltig lobte er Zwiebelsuppe und Schnecken -
unsere Vorspeise - sowie den Wein, einer von Radus besten. Für einen Unsterblichen war vermutlich alles Neue gut, dachte ich mir, und dieses Essen schien tatsächlich eine neue Erfahrung für Caedmon zu sein. Ich bezweifelte zumindest, dass er schon einmal in Gesellschaft einer Dhampirin, eines Duergar und eines Bergtrolls an einem Vampirtisch gesessen hatte, aber wer weiß? Und genau darin bestand das Problem. Es gefiel mir nicht, einen Verbündeten zu haben, über den ich ebenso wenig wusste wie Louis-Cesare.
Als der zweite Gang serviert wurde, fand ich, dass genug Höflichkeiten ausgetauscht waren. »Also gut, Caedmon.
Hier sind wir. Heraus damit.«
»Gewiss.« Im Gegensatz zu uns anderen schien ihm die spezielle Version von Tatarbeefsteak zu gefallen, die Radus Koch für uns zubereitet hatte. Er war bereits mit der Portion fertig, die Geoffrey ihm gegeben hatte, und spießte mit der Messerspitze gerade eine der winzigen Kühe auf, die ziellos auf dem zentralen Servierteller herumliefen. Der Rest der Miniaturherde stob auseinander und duckte sich unter die Spinatblätter am Rand. »Was möchtest du wissen?«
Bevor ich mich für eine der vielen Fragen entscheiden konnte, die sich in mir angesammelt hatten, wandte sich Louis-Cesare an den Elfen. »Woher weißt du, dass Miss Lachesis den elfischen Thronfolger in sich trägt?«
Caedmon tunkte seinen verzweifelt muhenden Gefangenen in Senf. Blut vermischte sich mit der Senfsoße, in der eine gelb-rote Spirale entstand. »Weil sie es sagte. Ich neige dazu, Frauen bei solchen Sachen zu glauben.«
»Wem hat sie es gesagt? Dir?«
»Nein. Sie teilte es einem der Menschen mit, die die Auktion leiteten. Er setzte sich mit unserer Delegation bei MAGIE in Verbindung und bot sie uns an, natürlich zu einem hohen Preis.«
»Und wie konnte Drac sie sich schnappen?« Ich saß auf meinen Händen, um sie nicht um diesen elfenbeinfarbenen Hals zu legen, aber das würde nicht lange funktionieren. Ich hatte viel Blut verloren und war so erschöpft, dass mein Temperament eigentlich eine Zeitlang Ruhe geben sollte, aber von wegen.
Mit der Gabel schnitt Caedmon zwei Kühen den Fluchtweg ab - sie hatten sich im Schatten beim Salzstreuer verstecken wollen. »Er erreichte die Auktion vor mir und entführte sie
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