Corina 01 - Dämonisch verführt
Rauchsäulen auf und reckten sich wie lepröse Finger dem Himmel entgegen. Uberall lagen Leichen in noch qualmenden Rüstungen und erstickten mich fast mit dem Geruch von Blut, Feuer und verbranntem Fleisch. Meine Hand war wund davon, den Speer zu halten, den ich gegen die Feinde benutzt hatte, aber ich merkte es kaum. Ich hatte Asche in den Augen, Asche, die einst der Körper eines alten Freunds gewesen war, Opfer des Zufallstreffers eines unerfahrenen Rekruten. Diese Asche klebte in meinem Gesicht, nahm mir den Stolz auf den Sieg, vermischte sich mit den Tränen, die mir über die Wangen liefen…
»Caedmon!«
Jemand schien mir eine Tür ins Gesicht zu schlagen - so fühlte es sich an. Ich saß wieder am Tisch, mein Puls raste, es dröhnte mir in den Ohren, und das Bild vor meinen Augen verschwamm. Mir schwindelte, und ich kam mir losgelöst vor, als versuchte mein Bewusstsein, an zwei Orten gleichzeitig zu sein. Die Trauer um den Tod von jemandem, den ich nie gekannt hatte, lastete schwer auf mir, und meine Adern waren noch voll vom Adrenalin eines Kampfes, an dem ich gar nicht teilgenommen hatte.
Radu war auf den Beinen und starrte mich verwirrt an. Louis-Cesares Blick durchbohrte den Ehrengast. Caedmon schenkte ihm keine Beachtung, doch in seinen Augen lag Sorge, als er mich ansah. »Ich bitte um Entschuldigung, Kind. Ich wollte dich das nicht sehen lassen.«
»Was ist passiert?« Es überraschte mich, wie ruhig meine Stimme klang.
Caedmon wirkte ein wenig verlegen. »Die Frumfórn, die ihr Elfen nennt, existieren gleichzeitig in beiden Seinsebenen, sowohl in der physischen als auch in der .... nun, ich nehme an, ihr würdet von der >geistigen< Ebene sprechen. Ich sitze hier, esse und spreche, doch mein Selbst bleibt nicht darauf beschränkt. Ich bin auch noch woanders, und für einen Moment war das auch bei dir der Fall.«
»Wieso?«
Caedmon hob sein Glas. »Vielleicht habe ich ein bisschen zu viel vom ausgezeichneten Wein unseres Gastgebers getrunken.«
Louis-Cesare nahm sein eigenes Glas, schnupperte misstrauisch daran und wandte sich an Radu. »Was hast du uns serviert?«
Caedmon wandte sich mit einem Lächeln an den Gastgeber. »Ich muss dir gratulieren. Lieblich, weich und mit einem subtilen Nachgeschmack, der wie ein Parfüm am Gaumen verweilt.«
Radu sah von ihm zu Louis-Cesare und schaffte es, zugleich stolz, verwirrt und zerknirscht zu wirken. »Ich hielt es für angemessen, da unser Gast…«
»Was hat es mit dem Wein auf sich?«, fragte Louis-Cesare erneut.
Erster Arger erschien in Radus Gesicht. Etwas sagte mir, dass seine Dinnerparty nicht so lief wie geplant. »Ich habe ihn von Geoffrey verdünnen lassen. Der größte Teil davon stammt von meiner eigenen Marke…«
Caedmon lachte leise. »Und der Rest ist der beste Elfenwein, den ich in vielen Jahren getrunken habe.«
»Daran liegt es also!« Mit Louis-Cesares Gesicht hätte man Diamanten schneiden können.
Caedmons Augen wurden dunkel wie Jade im Wasser. »Willst du mir etwas vorwerfen, Vampir?«
»Diese .... Substanz .... hat uns mit Erinnerungen gequält! Sie hat uns gezwungen, vergangene Dinge noch einmal zu erleben. Schreckliche Dinge.«
Caedmons Miene sprach Bände. Ohne ein einziges Wort brachte er zum Ausdruck, dass er es für eine enorme Strapaze hielt, den Tisch mit jemandem zu teilen, der so schlechte Manieren hatte. Dann seufzte er und sah mich an. »Hast du die Erinnerungen ebenfalls empfangen?«
Ich nickte. »Wir dachten .... In den Höhlen bekamen wir es mit einem Zauber zu tun. Wir dachten, die Magier hätten ihn zurückgelassen.«
»Das stimmt vermutlich, aber der Wein hat die Wirkung verstärkt. Hast du innerhalb der letzten drei Tage welchen getrunken?«
»Nein. Ich…«
Louis-Cesare unterbrach mich. »An Bord des Flugzeugs hast du einen Schluck aus meinem Glas genommen. Im Keller deines Hauses hatte ich mir eine Flasche gefüllt.«
»Moment mal. Soll das heißen, Claires Keller ist voller Elfenwein?«
»Ja. Es hat mich überrascht, ihn dort zu sehen, denn nur Elfen können ihn herstellen. Ich habe mich immer gefragt, warum er in unserer Welt so strengen Regeln unterliegt.« Louis-Cesare richtete einen weiteren bösen Blick auf Caedmon. »Jetzt wird mir das allmählich klar.«
»In einigen Tagen, höchstens drei, verschwindet die Wirkung. Die stärksten Auswirkungen sind in ein paar Stunden vorbei.«
Ich hob den Kopf und fühlte mich etwas mehr wie ich selbst. Als ich an meinem Glas schnupperte, fand ich
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