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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas
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Inspektor Wentzel mehr über den Mord wissen würde. Wahrscheinlich war es ein Unentschieden.
    »Weiß Mike das?« fragte sie.
    »Ich habe ihn heute nicht gesehen«, log ich. »Wahrscheinlich wird er es für geschäftsfördernd halten. Und morgen mittag werden bei Gott die Korrespondenten über uns hereinbrechen. Wenn sie dann hinaustorkeln, gibt’s bestimmt ein Dutzend Theorien und Insider-Geschichten, die von einem Attentat bis zum Racheakt zweier antiker SS-Leute reichen.«
    »Das hängt von der Zeitung ab, für die sie arbeiten«, sagte Fredl.
    »Und davon, wieviel sie getrunken haben.«
    »Es könnte sogar ganz interessant sein. Lädst du mich morgen zum Essen ein?«
    »Natürlich.«
    »Dann darfst du mich noch einmal küssen.«
    »Ich hab dich überhaupt noch nicht geküßt.«
    »Ich bin zu stolz, das zuzugeben.«
    Ich küßte sie, und wie immer war es so, als ob ich sie zum ersten Mal küßte – als ob alles neu wäre und wir noch sehr, sehr jung, aber mit einem hohen Maß an technischer Perfektion auf die Welt gekommen wären.
    »Mach Licht, Liebling«, flüsterte Fredl.
    »Beide Lampen?«
    »Eine genügt. Du weißt ja, ich sehe gern, was ich tue.«
    Widerstrebend verließ ich Fredl um vier Uhr morgens. Sie schlief, ein leichtes Lächeln auf den Lippen, das Gesicht etwas gerötet, aber entspannt. Das Bett sah warm und einladend aus. Einen langen Augenblick fohlte ich mich versucht, mich wieder hinzulegen. Statt dessen trottete ich barfuß und pudelnackt in die Kochnische, griff nach dem Scotch und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche, ging in den Wohnraum zurück und zog mich leise an. Dann beugte ich mich vor und küßte Fredl sanft auf die Stirn. Sie rührte sich nicht. Das irritierte mich, darum küßte ich sie noch einmal, diesmal auf die Lippen. Sie bewegte sich, schlug die Augen auf und lächelte.
    »Ich wollte nur, daß du weißt, was dir entgeht«, sagte ich.
    »Mußt du schon weg, Liebling?«
    »Ja.«
    »Komm wieder ins Bett, bitte.«
    »Ich kann nicht. Ich muß doch zur Polizei. Vergiß das Mittagessen nicht.«
    Sie lächelte, und ich küßte sie noch einmal. »Schlaf weiter«, sagte ich. Sie lächelte wieder, schläfrig und zufrieden. Ich verließ das Apartment, fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten und stieg in meinen Wagen.
    Um vier Uhr morgens wirkt Bonn wie eine verlassene Hollywood-Dekoration. Tatsächlich haben die meisten guten Bürger ihre Türen um zehn verschlossen und verriegelt, ohne daran zu denken, ja sogar gleichgültig gegenüber der Tatsache, daß ihre Stadt eine der wichtigsten Hauptstädte der Welt ist. In gewisser Hinsicht ist Bonn Washington sehr ähnlich. Darum schaffte ich es von Fredls Haus bis zu meiner Wohnung in weniger als zehn Minuten, ein neuer Rekord in Anbetracht der Tatsache, daß wir gute zehn Kilometer voneinander entfernt wohnten. Ich brachte den Wagen in die Garage, schob das Klapptor zu und schloß ab. Dann ging ich die Treppe zu meiner Wohnung hinauf.
    Nach fünf Umzügen in acht Jahren hatte ich schließlich eine Wohnung gefunden, die mir zusagte. Sie lag in einem zweistöckigen Haus in den Hügeln, am Rand von Muffendorf. Das Haus hatte sich ein Fahrradfabrikant aus Essen gebaut, der in den frühen fünfziger Jahren reich geworden war, als im Nachkriegsdeutschland Räder die wichtigsten Fortbewegungsmittel waren. Er hatte eine Vorliebe für moderne Architektur, aber seit er Witwer war, verbrachte er den größten Teil seiner Zeit damit, hinter Mädchen und der Sonne herzujagen. Im Augenblick hielt er sich, glaube ich, in Florida auf, aber es kann auch Mexiko gewesen sein. Seine häufige und langdauernde Abwesenheit gab mir die ungestörte Ruhe, die ich wünschte, und selbst wenn er in Deutschland war, verbrachte er viel von seiner Zeit in den Cafés von Düsseldorf, wo er mit seinen Freunden tratschte oder einfach nur den vorbeigehenden Mädchen nachsah. Er war Sozialdemokrat, und manchmal saßen wir zusammen, tranken Bier und stellten Spekulationen an, wie lange es dauern müßte, bis Willy Brandt Bundeskanzler würde.
    Das Haus bestand aus dunkelrotem Stein, hatte ein rotes Biberschwanzdach und an zwei Seiten auf der ganzen Länge das, was meine Eltern eine Veranda genannt hätten. Der Besitzer bewohnte die untere, kleinere Wohnung. Ich hatte die obere, die aus einem Schlafzimmer, einem kleinen Arbeitszimmer, einer Küche und einem großen Wohnraum mit Kamin bestand. Ich mußte zwölf Stufen hinaufsteigen, um zu meiner Wohnungstür zu gelangen. Ich steckte

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