Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas
Vom Netzwerk:
daß Sie, zu einer festen kleinen Kugel zusammengerollt, auf meiner Couch liegen.«
    Maas spreizte entschuldigend die Hände. »Aber ich fürchte, das ist unmöglich. Wie ich schon gesagt habe, so gern ich Ihren Wünschen nachkäme, ich furchte, daß ich bis Mittag hierbleiben muß. Erst dann habe ich meine Verabredung. Hier bin ich sicher.«
    »Nicht, wenn ich Sie verpfeife.«
    »Das werden Sie nicht tun, Herr McCorkle«, sagte Maas leise. »Das werden Sie ganz gewiß nicht tun.«
    Ich starrte ihn an. »Sie haben ein gutes Blatt in der Hand, wie?«
    »Ich habe Quellen, Herr McCorkle. Bei der Polizei. Die haben Zugang zu gewissen Gesprächen, gewissen Akten. In einer dieser Akten war ein Exemplar des Berichts, den der Inspektor heute abend vorgelegt hat. Sie haben das, was geschehen ist, durchaus wahrheitsgetreu und mit allen Einzelheiten berichtet – mit einer Ausnahme. Sie haben zu erwähnen versäumt, daß Ihr Partner – Herr Padillo, nicht wahr? – ebenfalls anwesend war. Das, Herr McCorkle, ist ein schwerwiegendes Versäumnis.«
    »Aber es bringt Ihnen nicht einmal für zwei Sekunden ein Bett und einen Unterschlupf ein. Ich werde einfach sagen, ich hätte es vergessen. Ich werde sogar zugeben, daß ich gelogen habe.«
    Maas seufzte wieder. »Lassen Sie es mich anders ausdrücken – und kann ich noch einen Tropfen von Ihrem ausgezeichneten Whisky haben?«
    Ich nickte. Er stand auf und watschelte zur Bar hinüber, drehte mir wieder den Rücken zu, und wieder dachte ich an das Messer, das Schüreisen oder den Klammergriff. Oder auch nur an einen schnellen, kräftigen Tritt ins Kreuz. Und wieder blieb ich bequem in meinem Sessel sitzen und sah zu, wie der feiste Deutsche meinen Whisky trank. Der Gedanke an Gewalt lastete schwer und abstoßend auf mir, und ich redete mir das Schuldgefühl wegen meiner Untätigkeit durch steigende Neugier aus.
    Maas wandte sich von der Bar ab und ging zu seinem Sessel zurück. »Wie gesagt, anscheinend muß ich mich anders ausdrücken. Sie haben versäumt zu berichten, daß Ihr Partner bei der beklagenswerten Angelegenheit zugegen war. Ich könnte das der Polizei durch einen Telefonanruf melden, nicht einmal mit verstellter Stimme, nur zwei oder drei Worte. Das nennt man beim Schachspiel ›Schach‹.« Maas beugte sich in seinem Sessel vor. Sein rundes Kartoffelgesicht glänzte und war von Alkohol und Müdigkeit etwas gerötet. »Aber ich weiß auch noch folgendes, Herr McCorkle. Ich weiß, wo Herr Padillo hingeht und warum. Und das ist zweifellos ›Schachmatt‹.«

6
    Es mochte ein Bluff sein, aber ich wollte mich nicht darauf verlassen. Ich gab Maas eine Decke, sagte ihm, er solle sich zum Teufel scheren, und ging schlafen. Es war nicht die geruhsamste Nacht, die ich je hatte.
    Am nächsten Morgen traf ich Inspektor Wentzel in seinem Büro. Er schien unverändert. Er saß hinter seinem Schreibtisch aus gelber Eiche, ausgestattet mit einem Telefon, einer Schreibunterlage und Körben für Eingang und Ausgang, in denen sich nichts befand. Er trug denselben Anzug zu einem frischen schneeweißen Hemd und einer apfelgrünen Krawatte. Seine Fingernägel waren immer noch sauber, und er hatte sich schon wieder rasiert.
    Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ein weiterer Mann, der mir nicht vorgestellt wurde, saß am Fenster. Er sah mich nicht an. Er schaute aus dem Fenster. Die Aussicht zeigte eine Ziegelmauer irgendeiner Fabrik oder eines Lagerhauses. Vielleicht zählte er die Ziegel.
    Ich machte meine Aussage vor einem Stenographen, den Wentzel hereinrief. Ich hielt sie so kurz und knapp wie möglich. Wentzel entschuldigte sich, und ich saß da, rauchte Zigaretten und trat sie auf dem Fußboden aus. Einen Aschenbecher gab es nicht. Der Raum war in dem Grün gestrichen, wie es Kartenzeichner benutzen. Der Fußboden bestand aus dunkelbraunen, geölten Dielen. Die Decke war schmutzigweiß. Es war ein Raum, in dem die Arbeit einer Regierung von Leuten verrichtet wird, die sie dafür einstellt. Er hatte den gleichen Hauch von Unbeständigkeit wie die meisten Behördenräume auf den unteren Ebenen, wahrscheinlich weil die meisten Insassen entweder auf dem Weg nach oben oder nach unten oder hinaus sind und wissen, daß dieser Job, dieses Projekt vorübergehender Natur sind. Deshalb gibt es keine Fotos von Frau und Kindern in Lederrahmen, keine persönlichen Dinge, die dem Büro einen Hauch von Beständigkeit gäben.
    Wentzel kam mit dem Stenographen zurück, als ich wieder eine

Weitere Kostenlose Bücher