Corkle 1
»Max kann Ihnen eine kleine Anzahlung geben.«
Wohlgemuth lächelte wieder. »Ich hatte immer das Gefühl, daß Sie für diesen Beruf zu empfindsam sind. Sie können mir einen Scheck schicken, wenn Sie wieder in Bonn sind – falls Sie hinkommen.«
»Dann sind sie wohl wirklich scharf hinter mir her, wie?«
Wohlgemuth nahm zwei blaue Aktendeckel vom Kaminsims. Einen gab er Padillo, den anderen mir. »Als Bettlektüre«, sagte er. »Es ist eine Zusammenfassung von allem, was wir festgestellt haben, durch einige eigene Beobachtungen ergänzt. Aber um Ihre Frage zu beantworten, sie sind wirklich scharf hinter Ihnen her. Selbst die Engländer haben Weatherbys wegen ein paar unfreundliche Töne von sich gegeben. Die einzigen, die Sie nicht vor den Kopf gestoßen haben, sind die Franzosen.«
Padillo blätterte durch seine Akte. »Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen. Aber jetzt brauchen wir zunächst einmal Schlaf.«
Wohlgemuth drückte wieder auf seinen elfenbeinfarbenen Knopf. Einer der großen Männer erschien. »Herr Padillo und Herr McCorkle sind meine besonderen Gäste«, sagte Wohlgemuth. »Zeigen Sie ihnen ihre Zimmer. Sind sie so hergerichtet, wie ich angeordnet hatte?«
Der große Mann nickte. Wohlgemuth blickte auf seine Uhr. »Jetzt ist es ein Viertel nach sechs. Zu Mittag lasse ich Sie wecken.«
Ich nickte erschöpft, stand auf und folgte dem großen Mann. Padillo kam hinter mir her. Wir durchquerten den Gang und wandten uns nach rechts. Der große Mann betrat ein Schlafzimmer, sah nach, ob das Fenster geöffnet war, schaltete das Licht im Bad ein, deutete auf eine Flasche Scotch und zwei Packungen Pall Mall und reichte mir den Schlüssel. Beinahe hätte ich ihm Trinkgeld gegeben. Als er fort war, ging ich ins Bad und sah in die Wanne. Sie schimmerte einladend. Ich drehte den Wasserhahn auf, setzte mich auf das Klosett und öffnete den Bericht. Ich hatte einen Durchschlag. Er war einzeilig auf Deutsch geschrieben und drei Seiten lang:
Von: FMS
An: Wohlgemuth
Betr.: Michael Padillo und Begleitung
Michael Padillo, 40, kam unter dem Namen Arnold Wilson Mittwoch 20.30 Uhr an Bord des BEA-Fluges 431 aus Hamburg an. Er fuhr danach in ein Café am Kurftirstendamm 43, wo er plangemäß mit John Weatherby zusammentraf. Sie unterhielten sich 33 Minuten lang, worauf Padillo mit dem Taxi zum Sektorenübergang Friedrichstraße fuhr. Er überquerte die Sektorengrenze mit einem britischen Paß auf den Namen Arnold Wilson.
Weatherby kehrte in seine Wohnung zurück und rief Fräulein Fredl Arndt in Bonn an, bat sie, sich mit Padillos Geschäftspartner in Verbindung zu setzen und ihn zu unterrichten, daß Padillo »Weihnachtshilfe« benötige.
In Ostberlin blieb Padillo bis es dunkel wurde in der Wohnung von Max Voss. Dann fuhren sie in einem 1964er Citroën zur Kerlerstraße 117. Das Haus ist ein fünfstöckiger, vorübergehend stillgelegter Bau einer Leuchtkörperfabrik. Padillo und Voss verbrachten die Nacht in diesem Haus.
McCorkle traf in Tempelhof um 17.30 Uhr an Bord des BEA-Fluges 319 von Düsseldorf ein. Zum Hilton-Hotel wurde er von Agenten amerikanischer Abwehrstellen und einem Agenten des KGB verfolgt. Um 18.20 Uhr meldete er sich in dem Hotel an und erhielt Zimmer 843. Er blieb dort zwei Stunden lang, telefonierte mit niemandem und ging dann zum Kurfürstendamm, wo er sich in ein Café setzte. Ihm schloß sich Wilhelm Bartels an, 28, amerikanischer Agent, wohnhaft Meirenstraße 128. Nach einer kurzen Unterhaltung ging Bartels. McCorkle trank sein Bier aus und fuhr mit einem Taxi zum »Purzelbaum«, wo er Bartels wiedertraf und sich noch einmal kurz mit ihm unterhielt. Dann kehrte McCorkle in sein Hotel zurück.
John Weatherby betrat McCorkles Zimmer wie geplant am nächsten Tag um 12 Uhr. Er blieb dort 37 Minuten. McCorkle nahm ein Taxi zu »Stroetzel«, wo er zu Mittag aß. Er stand unter Überwachung durch Bartels und einen nicht identifizierten Agenten des KGB. Um 13.22 Uhr verließ McCorkle das Restaurant und ging zu Fuß fort. Während McCorkle aß, war der Agent des KGB durch Franz Maas, 46, alias Konrad Klein, Rudi Salter, Johann Wicklermann und Peter Soerrig, ersetzt worden. Maas hat praktisch für alle Organisationen (einschließlich unserer eigenen 1963 in Leipzig) gearbeitet und gilt als einfallsreich, intelligent und verwegen, was er sorgsam tarnt, indem er sich als Tolpatsch gibt.
Er spricht fließend Englisch, Französisch und Italienisch und besitzt Kenntnisse des
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