Corum 02 - Die Königin des Chaos
auch seine Gefährten nicht verschonen. Dann gäbe es keine Rettung für Lywm-an-Esh. Hatte König Lyr erst gesiegt, würde das Chaos wieder mächtig werden. Ein neuer Schwertherrscher würde entsandt. Damit wären alle fünfzehn Ebenen erneut in der Gewalt des Chaos.
Er lag nun neben seinen Freunden, zu Füßen Polib-Bavs. Die Räder der Streitwagen begannen erneut zu knarren und holperten über die losen Steine der Schlucht.
Bald verließen Corum die Sinne.
Als er wieder erwachte, war es heller um ihn. Der gelbe Nebel war verschwunden. Corum hob den Kopf und sah, daß steile Klippen hinter ihnen in den Himmel ragten. Er nahm an, daß sie die Schlucht verlassen hatten. Sie rollten durch einen kahlen Wald mit kränklichen, windverwüsteten Bäumen. Er wandte seinen schmerzenden Kopf und starrte direkt in Rhalinas Gesicht. Sie hatte geweint, bemühte sich jetzt jedoch, ihn anzulächeln.
»Wir verließen die Schlucht durch einen Tunnel«, verriet sie ihm. »Es dürfte schon ein paar Stunden zurückliegen. Es scheint ein weiter Weg zu Königin Xiombargs Palast zu sein. Ich frage mich, weshalb sie nicht schnellere, zauberkräftigere Fortbewegungsmittel verwenden, um dorthin zu gelangen.«
»Das Chaos ist launisch«, brummte Jhary hinter ihr. »Außerdem ist Eile in einer Welt ohne Zeit nicht vonnöten.«
»Wo ist denn Eure kleine Katze?« erkundigte Corum sich leise.
»Sie war klüger als ich. Sie machte sich aus dem Staub. Ich habe nicht gesehen.«
»Ruhe!« donnerte die Stimme des Pferdewesens, das den Streitwagen lenkte. »Eure Unterhaltung gefällt mir nicht.«
»Sicher gefällt sie Euch nicht«, höhnte Jhary. »Sie erinnert Euch allzu sehr daran, daß auch Ihr einmal vernünftig denken und sprechen konn.«
Polib-Bav stieß ihm den Fuß ins Gesicht, daß Blut aus Jharys Nase schoß.
Corum knurrte wütend und versuchte sich zu befreien. Polib-Bav blickte auf ihn herunter und lachte. »Ihr seid selbst grotesk genug, Freund mit Eurem Auge und der Hand. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich glauben, daß Ihr dem Chaos dient.«
»Vielleicht tu ich es«, brummte Corum. »Ihr habt mich ja nicht gefragt. Ihr nehmt lediglich an, daß ich ein Spion der Ordnung bin.«
Polib-Bav legte die Stirn in Falten, aber dann erhellte sich sein stupides Pferdegesicht. »Ihr versucht nur, mich hereinzulegen. Ich werde nichts unternehmen, ehe Königin Xiombarg Euch nicht gesehen hat.« Er wickelte die Zügel fester um seine Linke, und die Reptile wurden schneller.
»Jedenfalls«, fuhr er fort, »steht fest, daß Ihr und Eure Freunde den Stärksten unserer Legion auf dem Gewissen habt. Wir sahen, wie er angegriffen wurde, und wie er verschwand!«
»Ihr sprecht von dem Ghanh?« erkundigte Corum sich vorsichtig. Leise Hoffnung regte sich in ihm.
In diesem Moment entwickelte Kwlls Hand wieder einmal ein eigenes Leben. Sie sprengte Corums Fesseln.
»Ah, seht Ihr!« triumphierte Polib-Bav. »Ich habe Euch übertölpelt, nicht Ihr mich. Ihr wußtet, daß der Ghanh gemordet wurde. Darum könnt nur Ihr es gewesen Waas? Ihr seid frei?« Er zog die Zügel und ergriff sein Schwert. Aber Corum hatte sich bereits über den Wagenrand geschwungen. Er schob seinen Augenschild zurück und blickte in die Unterwelt, die ihn bisher immer mit Verbündeten versorgt hatte. Der Ghanh, sein Riesenschädel eine einzige Wunde, war unübersehbar.
Kwlls Hand streckte sich in die Unterwelt, gerade als PolibBavs Kreaturen auf Corum zusprangen. Sie winkte den Ghanh herbei, der zögernd den Schädel hob.
»Du mußt meinem Ruf folgen«, mahnte ihn Corum, »dann bist du frei. Eine zufriedenstellende Belohnung harrt deiner.«
Der Ghanh sprach nicht, aber ein schriller Schrei entquoll seinem Rachen, als bestätige er, daß er gehört habe.
»Komm!« rief Corum. »Komm hol dir deine Belohnung!«
Die blutroten Flügel begannen zu flattern, als die titanische Bestie aus der Unterwelt in jene Welt zurückkehrte, aus der die Vögel sie vor gar nicht so langer Zeit verbannt hatten.
»Der Ghanh ist wieder da!« brüllte Polib-Bav begeistert. »O mächtiger Ghanh, wie gut, daß du zurück bist!«
Die Chaos-Meute hatte Corum inzwischen wieder überwältigt, aber er lächelte. Mit einem markerschütternden Schrei stürzte sich der Ghanh über einen Streitwagen. Er wickelte seine Flügel völlig um ihn herum und zerquetschte ihn.
So erstaunt war die Chaos-Meute darüber, daß Corum sich wieder befreien konnte. Sie versuchten, sich seiner erneut zu
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