Corum 02 - Die Königin des Chaos
Barbaren ohne kluge Führung. Ihnen bleibt nur ihre Obermacht, ihre Brutalität, ihre Hunde und ihre Bären.« Er lachte humorlos. »Das ist alles, König Onald.«
Sie blickten Corum nach, der mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern in der Dunkelheit verschwand.
»Ich werde alles für die Verteidigung vorbereiten«, murmelte Onald. »Sie werden uns sicher bei Tagesanbruch angreifen.«
»Das ist sehr wahrscheinlich«, stimmte ihm Rhalina zu. Sie wäre Corum gern nachgeeilt, doch sie unterließ es.
*
Im Morgengrauen vereinte sich König Lyrs Armee mit jener aus Bro-an-Mabden. Gemeinsam mit der Armee des Hundes und der des Bären näherten sie sich von allen Seiten den Stadtmauern.
Halwygs Krieger standen dicht gedrängt auf den niedrigen Mauern. Die Barbaren führten keine Belagerungsmaschinen mit sich, denn bisher hatten sie sich immer auf Prinz Gaynors Strategie und seine Chaos-Meute verlassen, welche die Verteidigung der Städte für sie gebrochen hatte. Aber ihre Zahl war so groß, so gewaltig, daß die Verteidiger die hintersten Reihen nicht mehr zu sehen vermochten. Die Barbaren ritten auf Ponys, standen in Streitwagen und marschierten.
Corum hatte sich ein paar Stunden zur Ruhe zurückgezogen, aber kein Schlaf war ihm vergönnt gewesen. Das schreckliche Gesicht Prinz Gaynors wich nicht von seinen Augen. Er versuchte an seinen Haß zu denken, an Glandyth-a-Krae, und er hielt Ausschau nach ihm in der Barbarenhorde. Aber offenbar befand Glandyth sich nicht darunter. Vielleicht suchte er immer noch nach ihm in der Gegend von Mordelsberg?
König Lyr saß auf einem schweren Roß und hielt das primitive Kriegsbanner in seiner Faust. Neben ihm ritt ein Buckliger König Droneky-a-Drok, Herrscher über Bro-an-Mabden. Er war ein Halbidiot und sein Spitzname, kleine Kröte, war sehr zutreffend.
Die Barbaren marschierten ohne viel Disziplin. Es schien, als blicke der König mit dem eingefallenen Gesicht nervös um sich, als sei er nicht sicher, eine solch gewaltige Armee befehligen zu können, nun da Prinz Gaynor nicht mehr war.
König Lyr-a-Brode hob sein gewaltiges Eisenschwert. Seine berittenen Bogenschützen hinter ihm sandten eine Salve brennender Pfeile über die Mauern, und die trockenen Sträucher, für die das Wasser seit Tagen nicht mehr gereicht hatte, fingen Feuer. Ebenfalls seit Tagen hatten die Bürger ihren Urin in Behälter gefüllt. Nun verwendeten sie ihn zum Löschen. König Onald hatte aus dem Schicksal der anderen belagerten Städte seines Königreichs gelernt.
Einige der Verteidiger taumelten auf den Mauern und schlugen auf die Flammen der Pfeile, die sich in ihre Körper gebohrt hatten. Einer der Männer rannte mit brennendem Gesicht an Corum vorbei, aber der bemerkte ihn kaum.
Mit einem gewaltigen Gebrüll ritten die Barbaren unmittelbar an die Mauern heran und begannen sie zu erklimmen.
Damit begann der eigentliche Angriff auf Halwyg-nan-Vake.
Corum beobachtete die Armee des Hundes und jene des Bären und fragte sich, wann diese gegen sie eingesetzt werden würden. Sie schienen sich im Hintergrund zu halten, aber er sah den Grund dafür nicht.
Doch gleich darauf beanspruchte die unmittelbare Umgebung seine ganze Aufmerksamkeit. Ein keuchender Barbar, mit einer Brandfackel in der Hand und dem Schwert zwischen den Zähnen, schwang sich über die Zinnen. Er stieß einen Laut der Überraschung aus, als Corum ihn niederstreckte. Aber andere folgten.
Den ganzen Morgen hindurch kämpfte Corum, ohne die Gedanken auf den Kampf zu konzentrieren, aber nichtsdestoweniger sehr wirkungsvoll.
An anderen Stellen der Mauer befehligten Rhalina, Jhary und Beldan kleine Abteilungen von Verteidigern. Tausend Barbaren starben, aber tausend andere traten an ihre Stelle, denn König Lyr hatte zumindest soviel Verstand, seinen Mannen Zeit zum Ausruhen zu geben und sie in Wellen gegen die Mauern zu schicken. Für die Verteidiger konnte es jedoch keine Rast geben. Jeder, der auch nur einigermaßen mit einer Waffe umzugehen vermochte, wurde gebraucht.
Corums Ohren dröhnten vom Schlachtenlärm. Er hatte schon zwanzig und mehr in den Tod geschickt, aber er war sich dessen kaum bewußt. Seine Rüstung war nicht heil geblieben, er blutete aus vielen kleinen Wunden, aber auch das bemerkte er nicht.
Immer neue Feuerpfeile schwirrten über die Mauern, und Frauen und Kinder löschten mit Eimern und Kannen.
Hinter den Verteidigern auf den Mauern stiegen Rauchschwaden empor, und vor ihnen drang der Gestank der
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