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Corum 04 - Das kalte Reich

Corum 04 - Das kalte Reich

Titel: Corum 04 - Das kalte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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von Eiveen, der Seherin.
    »Erschlagt mich, Herr!«
    »Ich kann nicht«, erwiderte Corum. »Wenn ich mehr Mut besäße, würde ich Euch Eueren Wunsch erfüllen, aber zu solchen Dingen fehlt mir der Mut, Lady.« Er wies mit dem Bogen, den er noch immer in der Hand hielt, nach Westen. »Schlagt diesen Weg ein und versucht, Caer Mahlod zu erreichen, wo Euer Volk den Fhoi Myore noch Widerstand leistet. Erzählt dort davon, was hier geschehen ist. Warnt sie. So werdet Ihr auch vor Euch selbst wieder Gnade finden. In meinen Augen habt Ihr längst genug gebüßt.«
    »Caer Mahlod? Ihr kommt von dort? Von Cremms Hügel und der Küste?«
    »Ich bin ausgezogen, einen Speer zu suchen.«
    »Den Speer Bryionak?« Ihre Stimme hatte nun einen fast erwartungsvollen Unterton. Sie klang höher. Und ihre Augen blickten jetzt in eine unbestimmte Ferne hinter Corum, während sie leicht schwankend vor ihm stand. »Bryionak und der Bulle von Crinanass. Silberne Hand. Cremm Croich wird kommen. Cremm Croich wird kommen. Cremm Croich kommt.« Wieder wandelte sich der Tonfall und wurde zu einem weichen Singsang. Die Falten ihres alten Gesichts schienen sich zu glätten und eine eigenartige Schönheit legte sich über seine Züge. »Cremm Croich wird kommen und er wird gerufen gerufen gerufen. Und sein Name wird nicht sein Name sein.«
    Corum wollte sie schon unterbrechen, aber jetzt lauschte er gebannt, während die alte Seherin ihren beschwörenden Singsang fortsetzte.
    »Corum Llaw Ereint. Silberne Hand und scharlachroter Mantel. Corum ist dein Name und erschlagen wird dich ein Bruder.«
    Corum hatte schon begonnen, an die Macht der alten Frau zu glauben, aber jetzt mußte er lächeln. »Erschlagen mag ich wohl werden, alte Frau, aber nicht von einem Bruder. Ich habe keinen Bruder.«
    »Du hast viele Brüder, Prinz. Ich sehe sie alle. Stolze Helden sind sie. Große Kämpfer.«
    Corum fühlte sein Herz schneller schlagen, sein Magen zog sich zusammen. Schnell rief der Prinz: »Keine Brüder, alte Frau. Niemanden habe ich zum Bruder.« Warum fürchtete er so, was sie sagte? Was wußte sie, das er nicht wissen wollte?
    »Du fürchtest dich«, erklärte sie. »So ist es also wahr, was ich spreche. Du hast nur drei Dinge zu fürchten. Das erste ist der Bruder, von dem ich schon sprach. Das zweite ist eine Harfe. Und das dritte ist Schönheit. Fürchte diese drei Dinge, Corum Llaw Ereint, doch nichts sonst auf dieser Welt.«
    »Schönheit? Die anderen beiden sind wenigstens noch etwas Greifbares aber warum Schönheit fürchten?«
    »Und das dritte ist Schönheit«, wiederholte sie. »Fürchte diese drei Dinge.«
    »Ich will mir diesen Unsinn nicht länger anhören. Ihr habt mein ganzes Mitgefühl, alte Frau. Ihr seid schwer geprüft, und darunter mag Euer Verstand gelitten haben. Geht nach Caer Mahlod, wie ich Euch riet, und dort wird man sich Eurer annehmen. Dort könnt Ihr Buße tun, um Euerer Schuld willen, aber ich sage Euch noch einmal, daß Ihr Euch nicht schuldig fühlen solltet. Nun muß ich meine Suche nach dem Speer Bryionak fortsetzen.«
    »Bryionak, Hoher Held, wird Euch gehören. Aber zuvor werdet Ihr einen Handel abschließen.«
    »Einen Handel? Mit wem?«
    »Ich weiß es nicht. Ich werde Euerem Rat folgen. Wenn ich lebend dorthin gelange, werde ich dem Volk von Caer Mahlod berichten, was ich hier ansehen mußte. Aber Ihr müßt auch meinem Rat folgen, Corum Jhaelen Irsei. Verschmäht meine Weisung nicht. Ich bin Eiveen, die Seherin, und was ich sehe, ist immer wahr. Es sind nur die Konsequenzen meines eigenen Tuns, die ich nie vorhersehen kann. Das ist mein Schicksal.«
    »Und mein Schicksal ist es, wie mir scheint«, rief Corum, während er davonritt, »vor der Wahrheit immer zu fliehen. Und außerdem«, setzte er noch hinzu, »glaube ich, daß mir die kleinen Wahrheiten immer noch lieber sind als die großen. Lebt wohl, alte Frau.«
    Umgeben von ihren erfrorenen Söhnen, ihr alter, dünner Leib von ihrem zerschlissenen Mantel umweht, ihre Stimme hoch und schwach, rief sie noch einmal nach ihm:
    »Fürchte nur diese drei Dinge, Corum von der Silbernen Hand: den Bruder, die Harfe und Schönheit.«
    Corum wünschte sich, sie hätte die Harfe nicht erwähnt. Die anderen beiden Dinge konnte er leicht als Geschwätz einer verrückten, alten Frau abtun. Aber die Harfe hatte er schon gehört. Und er fürchtete die Harfe.
V
    Der Zauberer Calatin
    Der Wald hatte seine ganze frühere Pracht und seine Wildheit verloren. Die Bäume beugten

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