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Corum 04 - Das kalte Reich

Corum 04 - Das kalte Reich

Titel: Corum 04 - Das kalte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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einmal die Hunde des Kerenos waren gegen diese unglückliche Armee ausgeschickt worden. Vielleicht waren nicht einmal die Fhoi Myore selbst erschienen, sondern hatten nur einen Frost geschickt einen grauenvollen, plötzlichen Frost, der lebendes Fleisch auf der Stelle zu Eis erstarren ließ.
    Corum wandte sich von diesem Anblick ab und vergaß völlig den Bogen in seiner Hand. Das Pferd war nervös und trug ihn nur zu gerne fort von diesem Ort um den Teich herum, aus dessen gefrorenem Wasser steifer, toter Schilf wie ein Wald von Stalagmiten aufragte, ein höhnisches Abbild des toten Heeres an seinem Ufer. Und Corum sah zwei, die gerade durch den See gewatet waren, und auch diese zwei waren zu Eis erstarrt. Ihre Arme schienen aus der flachen Eisdecke des Sees zu ragen, als seien sie an den Gelenken abgeschlagen, erhoben in einer Geste unaussprechlichen Grauens. Ein Mädchen und ein Junge waren es gewesen, beide nicht älter als sechzehn.
    Das Land lag tot und schweigend. Das Knirschen der Hufe im Schnee klang in Corums Ohren wie eine dumpfe Totenglocke. Er beugte sich über seinen Sattelknauf, um nichts mehr sehen zu müssen. Keine Träne stieg in sein Auge, zu überwältigt war er von dem grausamen Schrecken, den er hier gesehen hatte.
    Dann hörte er einen Klageruf, den er im ersten Augenblick für seinen eigenen hielt. Er hob den Kopf und atmete die kalte Luft tief ein. Und wieder hörte er den Ruf. Er blickte sich um. Er zwang sich zurück in Richtung des eisigen Grauens zu sehen, denn von dort schienen die Laute zu kommen.
    Eine schwarze Gestalt war nun deutlich zwischen den weißen Leichen zu sehen. Ein schwarzer Mantel umwehte die Gestalt wie die gebrochenen Flügel eines Rabens.
    »Wer seid Ihr?« schrie Corum. »Wer seid Ihr, daß Ihr um diese hier weint?«
    Die Gestalt kniete. Als Corum sie anrief, erhob sie sich, aber kein Gesicht oder eine Hand nur waren in dem flatternden Mantel zu erkennen.
    »Wer seid Ihr?« Corum wendete sein Pferd.
    »Nehmt auch mich, Knecht der Fhoi Myore!« Die Stimme klang müde und sehr alt. »Ich kenne Euch, und ich kenne Euere Absicht.«
    »Nach Eueren Worten, scheint es mir, Ihr kennt mich nicht«, erwiderte Corum freundlich. »Nun, sagt mir, wer Ihr seid, alte Frau.«
    »Ich bin Eiveen, Mutter einiger von diesen hier, Frau eines von diesen, und ich verdiene den Tod. Wenn Ihr ein Feind seid, erschlagt mich. Wenn Ihr ein Freund seid, dann erschlagt mich, Freund, und zeigt, daß Ihr Eiveen ein guter Freund sein wollt. Ich will dorthin gehen, wo alle, die ich verloren habe, hingegangen sind. Ich will nichts mehr von dieser Welt und ihren Grausamkeiten. Ich will nicht noch mehr Gesichte und Schrecken und Wahrheiten. Ich bin Eiveen, und ich habe alles prophezeit, was Ihr hier seht, und deshalb bin ich geflohen, als man nicht auf mich hören wollte. Und als ich zurückkehrte, mußte ich sehen, daß ich recht gehabt hatte. Und darum klage ich aber ich klage nicht um diese hier. Ich klage um mich selbst und meinen Verrat an meinem Volk. Ich bin Eiveen, die Seherin, aber jetzt habe ich niemanden mehr, für den ich in die Zukunft blicken kann, niemanden, der mich respektiert, außer mir selbst. Die Fhoi Myore sind über sie gekommen, und die Fhoi Myore haben sie mit ihrer Kälte geschlagen. Dann zogen die Fhoi Myore in ihren Wolken davon und nahmen ihre Hunde mit, um sich unterhaltsameren Spielen zuzuwenden als meinem unseeligen Clan, dem tapferen, der glaubte, daß die Fhoi Myore, wie grausam und böse sie auch sein mochten, ihn doch genug respektieren würden, um ihm in einem fairen Kampf gegenüberzutreten. Ich warnte sie, was über sie kommen würde. Ich flehte sie an, mit mir die Flucht zu ergreifen. Sie verstanden mich. Sie sagten mir, daß ich gehen könnte, aber daß sie zu bleiben wünschten, daß ein Volk seinen Stolz behalten müßte, oder daß es auf andere Art untergehen würde, eine Art, bei dem der Geist eines jeden aus diesem Volk stirbt, lange bevor auch der Körper tot ist. Ich habe sie nicht verstanden. Jetzt verstehe ich sie. Und jetzt erschlagt mich, Herr!«
    Nun hoben sich die dünnen Arme ohnmächtig. Das schwarze Gewand viel von ihrem Fleisch zurück, das blau war vor Kälte und Alter. Die Kopfbedeckung rutschte nach hinten, und ein faltiges Gesicht umrahmt von dünnem, grauem Haar wurde enthüllt. Und Corum sah die Augen in diesem Gesicht, und er fragte sich, ob er auf all seinen Reisen jemals ein Gesicht gesehen hatte, das so von Schmerz gezeichnet war wie das

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