Corum 04 - Das kalte Reich
bis er nicht mehr höher kam. Vorsichtig schüttelte er dann den Schnee aus einigen Zweigen, um freien Blick auf die Lichtung zu haben, ohne selbst gesehen zu werden.
Er hatte gehofft, daß sein Pferd die Flucht ergreifen würde, sobald es die Hunde witterte. Aber das Tier war zu gut dressiert. Es wartete vertrauensvoll auf ihn und rupfte an freigescharrten Grasresten. Corum hing den Köcher an einen Ast, wo er ihn leicht erreichen konnte, und wählte einen Pfeil aus. Er konnte jetzt die Hunde durch den Wald brechen hören. Das Pferd schnaubte, legte die Ohren an und rollte mit den Augen. Es hob den Kopf und suchte seinen Herren.
Am gegenüberliegenden Rand der Lichtung begannen sich jetzt Nebelschwaden zu sammeln. Corum glaubte, darin einen weißen, schleichenden Schatten zu erkennen. Er spannte seinen Bogen, während er flach auf einem breiten Ast lag und sich mit den Füßen festklammerte.
Der erste Hund lief auf die Lichtung. Die rote Zunge hechelte, die roten Ohren spielten zitternd und in den gelben Augen stand Blutdurst. Corum blickte am Schaft des Pfeiles entlang und zielte auf das Herz der Bestie.
Er schoß. Sirrend fuhr die Sehne über seinen langen Handschuh. Der Bogen streckte sich mit einem hellen Summen. Der Pfeil fand sein Ziel. Corum sah, wie der Hund stolperte und sich nach dem Pfeil umdrehte, der aus seiner Seite ragte. Offensichtlich hatte das Tier nicht bemerkt, woher das tödliche Geschoß gekommen war.
Seine Beine knickten ein. Corum langte nach dem nächsten Pfeil.
Und dann brach der Ast.
Für eine Sekunde schien Corum in der Luft zu hängen, ohne daß er begriff, was passiert war. Ein dumpfes Krachen, ein splitterndes Geräusch, und Corum stürzte. Vergeblich versuchte er, sich an anderen Ästen festzuhalten. In einer Schneefahne rutschte er in die Tiefe. Sein Sturz war nicht zu überhören. Der Bogen wurde ihm dabei aus der Hand gerissen, Pfeile und Lanzen hingen noch im Baum. Der Vadhagh landete schmerzhaft auf der linken Schulter. Nur der tiefe Schnee verhinderte, daß er sich die Knochen brach. Seine anderen Waffen lagen beim Sattelzeug in einiger Entfernung. Inzwischen schlichen weitere Hunde heran, die ihre Überraschung über den plötzlichen Tod ihres Bruders und das Brechen des Astes schnell überwunden hatten.
Corum kämpfte sich hoch und spurtete in Richtung des Sattels, gegen den sein Schwert lehnte.
Das Pferd wieherte und trabte auf ihn zu. Dabei blockierte es ihm den Weg zu den Waffen. Corum schrie das Tier an, ihn vorbeizulassen. Ein langgezogenes Triumphgeheul klang hinter dem Vadhagh auf. Zwei schwere Pranken schlugen gegen seinen Rücken und brachten ihn zu Fall. Heißer, stinkender Geifer tropfte ihm in den Nacken. Er versuchte, wieder hochzukommen, aber der riesige Hund preßte ihn zu Boden und heulte seinen Sieg in die Nacht. Corum hatte schon beobachten können, daß sich die Hunde oft so verhielten, bevor sie ihre Opfer töteten. Dem Geheul würde der tödliche Biß folgen. Die langen Fänge würden sich dem Vadhagh in den Nacken schlagen.
Aber dann hörte er den Hufschlag seines Pferdes, sah aus den Augenwinkeln Hufe fliegen, und das Gewicht des Hundes verschwand von seinem Rücken. Corum rollte sich zur Seite und sah sein großes Mabden-Schlachtroß auf den Hinterbeinen stehen. Die eisenbeschlagenen Hufe schlugen nach dem knurrenden Hund aus, dessen Schädel bereits halb zerschmettert war. Aber noch immer schnappte die Bestie wild nach dem Pferd. Ein weiterer Tritt traf den Hund am Kopf, und er brach aufheulend zusammen.
Corum hinkte bereits weiter über die Lichtung, seine silberne Hand griff nach der Scheide, die Hand aus Fleisch und Blut nach dem Schwertgriff. Während der Vadhagh sich den Hunden zuwandte, hatte er schon die Klinge herausgerissen.
Nebelstreifen zogen jetzt über die Lichtung wie suchende, geisterhafte Finger. Das tapfere Pferd wurde bereits von zwei weiteren Hunden angegriffen, die es jedoch auf Distanz halten konnte, obwohl es schon aus einigen kleineren Wunden blutete.
Doch jetzt sah Corum unter den Bäumen eine menschliche Gestalt auftauchen. Sie war ganz in Leder gekleidet mit einer ledernen Kapuze und schweren ledernen Schulterklappen und trug ein Schwert in der Hand.
Im ersten Augenblick dachte Corum schon, daß ihm diese Gestalt zu Hilfe kam, denn ihr Gesicht war so weiß wie das Fell der Hunde, und ihre Augen glühten rot. Sie erinnerte an jenen seltsamen Albino, den Corum im Turm von Voilodion Ghagnasdiak getroffen hatte. War
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