Corum 05 - Der gefangene König
gleichzeitig mit den ersten Sonnenstrahlen auf, die sich auf seiner Rüstung brachen. Die Sonne ging genau hinter ihm auf. Sein Harnisch blitzte rot. In der Faust hielt er ein blankes Schwert, das ebenfalls in der Sonne glänzte. Es strahlte so grell, daß Corum davon geblendet wurde und den Reiter im ersten Augenblick nicht erkennen konnte. Dann wechselte die Farbe der Rüstung plötzlich zu einem flammenden, eisigen Blau. Jetzt wußte Corum, wer ihm dort entgegenkam.
Das Gebell der schrecklichen Hunde wurde lauter, aber noch waren sie nicht zu sehen.
Corum trieb sein Pferd auf die Anhöhe zu.
Plötzlich war alles still.
Die Hunde verstummten, der Reiter stand unbeweglich auf der Anhöhe. Die Farbe seiner Rüstung wechselte wieder, diesmal zu einem grünlichen Gelb.
Corum lauschte auf seinen eigenen Atem, die Hufe seines Pferdes, die über die harte, schwarze Erde dröhnten. Er galoppierte den Hang hinauf und hielt mit angelegter Lanze auf den Reiter zu.
Und dann erklang die Stimme des Reiters aus dem formlosen Helm, der seinen Kopf verbarg.
»Ha! Also habe ich richtig vermutet. Ihr seid es, Prinz Corum!«
»Guten Morgen, Gaynor. Wollt Ihr mich fordern?«
Prinz Gaynor der Verdammte warf den Kopf zurück und lachte ein leeres, hohles Lachen, und seine Rüstung färbte sich in ein flak-kerndes Schwarz, und er stieß sein Schwert zurück in die Scheide.
»Ihr kennt mich, Prinz Corum. Ich bin müde. Ich habe nicht vor, mich von Euch noch einmal in den Limbus schicken zu lassen. Hier auf dieser Ebene gibt es wenigstens etwas, mit dem ich mir die Zeit vertreiben kann. Dort im Limbus nun, dort gibt es nichts, gar nichts.«
»So schließt Euch doch einer guten Sache an. Kämpft für meine Seite. Hier würdet Ihr auch Vergebung finden.«
»Vergebung? Oh, Corum, Ihr seid wahrlich von schlichtem Gemüt. Wer sollte mir vergeben?«
»Niemand.«
»Warum sprecht Ihr dann von Vergebung?«
»Ihr könntet Euch selbst vergeben. Das ist es, was ich gemeint habe. Ich sage nicht, daß Ihr Euch den Lords der Ordnung beugen sollt falls sie noch irgendwo existieren noch daß Ihr Euch vor irgendeiner anderen Autorität beugen sollt als Euerem eigenen Stolz. Ich glaube, daß es in Euch selbst, Prinz Gaynor der Verdammte, etwas gibt, das Euch vor Eurer Hoffnungslosigkeit retten kann, der Ihr auf ewig anheim gefallen seid. Ihr wißt um die Dummheit, die Ignoranz, die Zerstörungswut und die Geistlosigkeit derer, denen Ihr dient. Und doch folgt Ihr ihnen freiwillig, helft ihnen bei ihren Taten, begeht große Verbrechen und schafft grausames Leid, verbreitet das Böse, bringt Tod und Verderben Ihr wißt, was Ihr tut. Und Ihr wißt auch, daß diese Verbrechen Euch nur immer mehr Gewissensqual bringen.«
Die Rüstung wechselte ihre Farbe von Schwarz zu wütendem Rot. Prinz Gaynors gesichtsloser Helm drehte sich zur aufgehenden Sonne. Sein Pferd scharrte, und er griff die Zügel fester.
»Schließt Euch meiner Sache an, Gaynor. Ich weiß, daß Ihr sie achtet.«
»Die Ordnung hat mich verstoßen«, erwiderte Prinz Gaynor mit harter, müder Stimme. »Alles dem ich einst folgte, alles was ich einst achtete, alles was ich einst bewunderte und verehrte es hat mich verstoßen und verdammt. Es ist zu spät für Prinz Gaynor, Freund Corum.«
»Es ist nicht zu spät«, drängte Corum, »und Ihr vergeßt, Gaynor, daß ich alleine in jenes Gesicht gesehen habe, das ihr unter Euerem Helm verbergt. Ich habe Euch in all Eueren Gestalten und Verkleidungen gesehen, habe all Eure Träume gesehen, all Euere Sehnsüchte, Gaynor.«
»Aye«, antwortete Prinz Gaynor der Verdammte ruhig. »Das ist es, warum Ihr vernichtet werden müßt, Corum. Das ist es, warum ich es nicht ertragen kann, Euch am Leben zu wissen.«
»Dann kämpft«, rief Corum mit einem Seufzer. »Kämpft jetzt!«
»Das werde ich nicht wagen, nicht nachdem Ihr mich schon einmal im Zweikampf besiegt habt. Ich will Euch nicht noch einmal Gelegenheit geben, alle meine Gesichter zu sehen, Corum. Nein, ich kann Euch keinen Tod im offenen Zweikampf gewähren. Die Hunde.«
Da begriff Corum, was Gaynor für ihn geplant hatte, und trieb sein Pferd zu einem plötzlichen Galopp. Mit der Lanze auf Gaynors formlosen Helm zielend, warf er sich gegen seinen alten Feind.
Doch Gaynor lachte und riß sein Pferd hart herum. Dann donnerte er den Abhang auf der anderen Seite hinunter. Eine Wolke aufgewirbelten Reifs hüllte ihn ein, und die Hufe seines Pferdes dröhnten, als würde die Erde unter ihnen
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