Corum 06 - Das gelbe Streitross
kommt von Ynys Scaith«, sagte Goffanon. »Nur Böses, wie es sich auch immer verkleiden mag.«
»Ich habe bisher nicht begriffen.« Amergin strich Artek über die Schulter. »Artek, ich gebe Euch eine Medizin, von der Ihr tief schlafen werdet ohne zu träumen. Morgen seid Ihr wieder ein ganzer Mann.«
Die Sonne ging hinter dem Lager unter. Ilbrec und Corum waren auf dem Weg zum blauen Zelt des Sidhi. Von den Küchenfeuern wehten die verschiedensten Essengerüche über die Zelte. In der Nähe sang ein Junge mit einer hohen, melancholischen Stimme von Helden und großen Taten. Die beiden betraten Ilbrecs Zelt.
»Armer Artek«, bemerkte Corum. »Welche Verbündeten hofftet Ihr auf Ynys Scaith zu finden?«
Ilbrec zuckte die Achseln. »Oh, ich dachte daran, ob man ihre Bewohner oder wenigstens einige von ihnen nicht dazu bewegen könnte, sich auf unsere Seite zu schlagen. Aber ich nehme an, daß diese Idee wirklich nicht sehr gut war, wie Goffanon sagte.«
»Artek und seine Begleiter dachten, sie hätten mich dort gesehen«, erklärte Corum. »Sie dachten, ich wäre einer der Dämonen gewesen, die ihre Gefährten erschlugen.«
»Das ist mir ein Rätsel«, gab Ilbrec zu. »Ich habe noch nie von einer ähnlichen Verwechslung gehört. Vielleicht habt Ihr einen Zwillingsbruder. Habt Ihr überhaupt einen Bruder?«
»Einen Bruder?« Corum wurde an die Prophezeiung der alten Frau erinnert. »Nein. Aber ich wurde vor einem Bruder gewarnt. Bisher nahm ich an, diese Warnung bezöge sich auf Gaynor, der sicher eine Art Geistesbruder für mich ist, nur daß er unter umgekehrten Vorzeichen kämpft. Oder vielleicht ist auch der gemeint, der unter dem Hügel liegt, dem Hügel im Eichenhain. Aber nun glaube ich, dieser Bruder erwartet mich auf Ynys Scaith.«
»Erwartet Euch?« Ilbrec war alarmiert. »Ihr habt doch nicht vordie Schatteninsel zu besuchen?«
»Es will mir scheinen, daß Wesen, die mächtig genug sind, die Besten des Volkes von Fyean zu vernichten und einen so tapferen Mann wie Artek mit blindem Entsetzen zu erfüllen, nützliche Verbündete sein könnten«, stellte Corum fest. »Abgesehen davon, habe ich vor, diesem ›Bruder‹ gegenüberzutreten und zu entdecken, wer er ist, und warum ich ihn fürchten muß.«
»Es ist unwahrscheinlich, daß Ihr die Gefahren von Ynys Scaith überlebt«, überlegte Ilbrec laut, der sich in seinen großen Stuhl gesetzt hatte und mit seinen Fingern auf die Lehne trommelte.
»Ich bin in der richtigen Stimmung, mein Schicksal ein wenig herauszufordern«, erwiderte Corum leise. »Jedenfalls solange ich damit nicht den Mabden schade.«
»Ich auch.« Ilbrecs meerblaue Augen blickten in Corums einziges Auge, das diesen Blick erwiderte. »Aber die Mabden ziehen übermorgen gegen Caer Llud, und Ihr seid ihr Heerführer.«
»Das ist es, was mich im Augenblick noch davon abhält, nach Ynys Scaith zu fahren«, antwortete Corum. »Nur das.«
»Ihr habt keine Angst um Euer Leben Euren gesunden Verstand vielleicht sogar Eure Seele?«
»Ich werde der Ewige Held genannt. Was bedeuten Tod oder Wahnsinn einem, der mehr Leben vor sich hat als dieses eine? Wie kann meine Seele gefangen werden, solange sie anderswo gebraucht wird? Wenn überhaupt jemand die Chance hat, Ynys Scaith zu besuchen und lebend zurückzukehren, dann ist es Corum von der Silbernen Hand.«
»Gegen diese Logik spricht leider einiges«, entgegnete Ilbrec. Er starrte nachdenklich ins Leere. »Aber in einer Beziehung habt Ihr recht Ihr seid der Beste, um Ynys Scaith einen Besuch abzustatten.«
»Und dort müßte ich eben versuchen, die Bewohner der Insel für unsere Sache zu gewinnen.«
»Sie könnten tatsächlich von großem Nutzen für uns sein«, gab Ilbrec zu.
Ein kalter Luftzug wehte durch das Zelt, als die Plane vor dem Eingang hochgeschlagen wurde. Goffanon erschien, die Axt über die Schulter gelegt. »Einen guten Abend, meine Freunde«, sagte er.
Sie erwiderten seinen Gruß. Er setzte sich auf Ilbrecs Waffentruhe und lehnte seine Axt vorsichtig dagegen. Dann sah er von Corum zu Ilbrec und wieder zurück zu Corum. In ihren Gesichtern las er etwas, das ihn beunruhigte.
»Nun«, begann er. »Ich hoffe, ihr habt genug gehört, um den wahnsinnigen Plan zu vergessen, den Ilbrec sich zurecht gelegt hat.«
»Ihr hattet vor, dorthin zu gehen?« fragte Corum.
Ilbrec breitete die Hände aus. »Ich hatte gedacht.«
»Ich bin dort gewesen«, unterbrach ihn Goffanon. »Das war mein größtes Unglück. Mein größtes
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