Corum 06 - Das gelbe Streitross
die Achseln.
Diese Geste brachte sie noch mehr auf. Ein bestimmtes Wort kam undeutlich über ihre Lippen, dann lief sie zur Tür, riß sie auf und warf sie laut hinter sich ins Schloß.
Corum wollte ihr folgen, besann sich aber dann, daß jede weitere Diskussion nur zu weiteren Mißverständnissen führen würde. Er hoffte, daß Amergin bei passender Gelegenheit Medheb sein Vorhaben erklären würde, oder sie wenigstens davon überzeugen konnte, daß sein Besuch auf Ynys Scaith nicht einzig einer persönlichen Besessenheit entsprang.
Als er dann die Feste verließ und in das Lager zurückkehrte, wo Ilbrec ihn erwartete, geschah das mit schwerem Herzen.
Der goldene Riese empfing ihn ebenfalls für den Kampf gewappnet, sein großes Schwert Vergelter an der Hüfte, sein riesiges Pferd Zaubermähne für den Ritt gesattelt. Er lächelte, als erfülle ihn die Erwartung ihres bevorstehenden Abenteuers mit Begeisterung. Doch Corum konnte nichts als dumpfen Schmerz empfinden, als er dieses Lächeln erwiderte.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, rief Ilbrec. »Wie wir übereingekommen sind, werden wir zusammen auf Zaubermähne reiten. Er galoppiert schneller als jedes sterbliche Pferd und wird uns nach Ynys Scaith und zurück bringen, ehe wir uns versehen haben. Ich habe von Kawanh eine Karte erhalten. Es gibt nichts mehr, was uns hier noch aufhalten könnte.«
»Nein«, bestätigte Corum. »Nichts mehr.«
»Ihr seid unverantwortliche Narren!«
Corum fuhr herum, um in Goffanons Gesicht zu blicken, das vor Wut dunkel angelaufen war. Der Sidhi-Zwerg schüttelte seine Faust, in der er die mächtige Streitaxt hielt, und schrie: »Wenn ihr lebend von Ynys Scaith zurückkehrt, dann werdet ihr nicht mehr bei Verstand sein. Ihr werdet niemandem mehr helfen können. Wir brauchen euch beide auf diesem Feldzug. Die Mabden erwarten, daß wir drei sie führen. Unsere Gegenwart ist es, die ihnen ihren Mut gibt. Geht nicht nach Ynys Scaith. Geht nicht!«
»Goffanon«, sagte Ilbrec verständnisvoll, »in den meisten Angelegenheiten respektiere ich deine Weisheit, aber in dieser Sache müssen wir unseren eigenen Gefühlen folgen.«
»Eure Gefühle sind falsche Gefühle, wenn sie euch in euer Verderben führen! Was sind das für Gefühle, die euch alle die verraten lassen, denen zu dienen ihr geschworen habt! Geht nicht!«
»Wir werden gehen«, erwiderte Corum mit ruhiger Stimme. »Wir müssen.«
»Dann treibt euch ein böser Dämon, und ihr seid nicht länger meine Freunde«, rief Goffanon. »Ihr seid nicht mehr meine Freunde!« »Du solltest unsere Motive respektieren können, Goffanon.«, setzte Corum an, aber die Verwünschungen des Zwerges schnitten ihm das Wort ab.
»Selbst wenn ihr bei vollem Verstand von Ynys Scaith zurückkehrt - und daran zweifele ich sehr werdet ihr nur euer eigenes Verderben mit euch bringen. Daran gibt es keinen Zweifel. Ich habe es in meinen jüngsten Träumen gesehen.«
Mit leichtem Hohn in der Stimme antwortete Corum:
»Die Vadhagh hatten eine Theorie, daß Träume mehr über den Mann, der sie träumt, aussagen als über die Welt, in der er lebt. Könnte es sein, daß du noch andere Motive hast, uns von einem Besuch auf Ynys Scaith abzuhalten.?«
Goffanon starrte ihn herausfordernd an. »Ich gehe mit den Mabden nach Caer Llud«, sagte er.
»Nimm dich vor Calatin in acht«, meinte Corum, ernsthaft besorgt.
»Ich glaube, daß Calatin ein besserer Freund war, als ihr beide es seid.« Mit hängenden Schultern wandte Goffanon sich von ihnen ab.
»Nun, muß ich entscheiden?« Die Stimme klang hell und ironisch. Sie gehörte Jhary-a-Conel, der im Schatten zwischen den Zelten auftauchte und die drei musterte, die Hände in die Hüften gestemmt und die Augenbrauen leicht hochgezogen. »Muß ich entscheiden, ob ich jetzt nach Ynys Scaith gehe oder nach Caer Llud? Ist meine Loyalität von jetzt an aufzuteilen?«
»Ihr geht nach Caer Llud«, erwiderte Corum. »Eure Klugheit und Euer Wissen werden dort gebraucht. Ihr besitzt mehr davon als ich.«
»Wer besäße das nicht?« brach es aus Goffanon hervor, der Corum noch immer den Rücken zuwandte.
»Geht mit Goffanon, Jhary«, erklärte Corum dem Gefährten von Helden leise. »Helft, ihn gegen Calatins Zauberei zu schützen.«
Jhary nickte. Er berührte Corums Schulter. »Lebt wohl, verräterischer Freund«, murmelte er. Und um seine Lippen spielte ein kleines, trauriges Lächeln.
Während sie sprachen, schwang sich Ilbrec mit rasselndem Kettenhemd
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