Corum 06 - Das gelbe Streitross
wird.«
Nun trug Corums Doppelgänger seinen Herrn über den Strand, aber er ging nicht zum Boot, sondern schritt direkt ins Meer. Der scharlachrote Mantel bauschte sich um ihn auf dem Wasser und umgab die beiden Wesen wie geronnenes Blut.
»Der Zauberer hat Euch nicht willentlich betrogen«, erklärte Goffanon. »Ihr sollt die Wahrheit wissen, Sactric. Ich war genausowenig in seiner Gewalt, als ich hierher kam, wie ich jetzt in Eurer bin. Ich ließ ihn glauben, er könne mir Befehle erteilen, denn ich wollte erkunden, ob meine Freunde hier noch lebten und wie ihnen zu helfen war.«
»Sie werden nicht mehr lange zu Leben haben«, schwor Sactric, »und du auch nicht, denn dich hasse ich am meisten von allen, Goffanon.«
»Ich kam aus freiem Willen hierher«, fuhr der Zwerg fort, ohne sich um Sactrics Drohung zu kümmern, »denn ich wollte mit Euch den Handel abschließen, den Calatin mit Euch einzugehen plante.«
»Dann weißt du, wo du versteckt hast, was du stahlst?« Die Hoffnung kehrte in Sactrics Stimme zurück.
»Natürlich weiß ich es. Es ist nichts, was ich so leicht vergessen könnte.«
»Und du würdest es mir erzählen?«
»Wenn Ihr mit meinen Bedingungen einverstanden seid.«
»Wenn sie angemessen sind, will ich ihnen zustimmen.«
»Ihr bekommt alles, was Ihr von Calatin haben wolltet, und Ihr bekommt es zu ehrenhafteren Bedingungen.«, versprach Goffanon. Trotz der Schmerzen, die ihm seine Verletzung verursachen mußten, lag neuer Stolz im Auftreten des Zwerges.
»Ehrenhaft? Das ist eine Sache der Mabden. Mit Ehrenhaftigkeit habe ich nichts zu schaffen.«, begann Sactric.
Goffanon wandte sich einfach von ihm ab und richtete seine nächsten Worte an Corum: »Du hast viel zu tun, Vadhagh, wenn du deine Dummheiten noch einmal gut machen willst. Geh, hol dein Schwert.«
Und Corum gehorchte. Seine Augen hingen noch immer an seinem Doppelgänger. Der Körper des Zauberers war jetzt vollständig unter den Wellen verschwunden, aber von dem Karach waren noch Kopf und Schultern zu sehen. Und der Kopf drehte sich jetzt Corum zu. Corum fühlte Eis in seinen Adern, als sein einziges Auge den Blick des anderen einzelnen Auges traf. Dann verzog sich das Gesicht des Karach, sein Mund öffnete sich, und er stieß ein so plötzliches und jammervolles Geheul aus, daß Corum erstarrt vor dem mondfarbenen Schwert stehen blieb.
Der Karach setzte seinen Weg fort, bis auch der Kopf unter der Wasseroberfläche verschwunden war. Für eine Sekunde oder zwei sah Corum noch den scharlachroten Mantel, seinen eigenen Namensmantel, auf den Wellen treiben, dann war auch der verschwunden.
Corum bückte sich und hob sein Schwert auf, Goffanons Geschenk. Die Klinge schimmerte in einem fremden, silbrigen Weiß und war mit dem Blut von Corums altem Feind verschmiert. Aber zum erstenmal war Corum froh, das Schwert in der Hand zu halten. Und jetzt wußte er auch, welchen Namen er dem Schwert geben wurde. Auch wenn das kein ehrenvoller Namen war; nicht der Name, den er selbst erwartet hätte. Er wußte ihn nur einfach, genau wie Goffanon ihm erklärt hatte, daß er ihn wissen würde, wenn die Zeit gekommen war.
Er trug das Schwert zurück zum Gipfel des Hügels, und er hob das Schwert gegen den Himmel und sagte mit fester, ruhiger Stimme:
»Ich habe einen Namen für das Schwert, Goffanon.«
»Ich wußte, daß du ihn jetzt haben würdest«, antwortete Goffanon im gleichen Tonfall.
»Ich nenne dieses Schwert ›Verräter‹«, erklärte Corum. »Denn das erste Blut, das diese Klinge befleckt hat, war von dem, der sie schmiedete, und das zweite Blut war von einem, der sich für den Herrn dieses Schmiedes hielt.«
Und das Schwert schien noch heller zu leuchten, und Corum fühlte, wie aus dem Schwert neue Energie zu ihm floß. (Gab es da nicht in einer anderen Zeit ein anderes Schwert wie dieses? Warum war ihm dieses Gefühl so vertraut?) Und er sah zu Goffanon, und Goffanon nickte und war zufrieden.
»Verräter«, sagte Goffanon, und er legte seine große Hand auf seine Schulterwunde.
Dann meinte Ilbrec plötzlich zusammenhanglos: »Nun habt Ihr ein Schwert, das einen Namen trägt. Jetzt braucht Ihr auch ein gutes Pferd. Das sind die wichtigsten Requisiten eines kämpfenden Helden.«
»Aye. Ich nehme an, das sind sie«, erwiderte Corum. Er schob das Schwert in die Scheide.
Sactric gestikulierte ungeduldig. »Welchen Handel wollt ihr den Malibann vorschlagen, Goffanon?«
Goffanon war noch mit Corum beschäftigt. »Ein
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