Coruum Vol. 1
schaffte es, Ihre Stimme gleichzeitig milde und doch tadelnd klingen zu lassen.
Der Wind drückte ihr Gewand an ihren schlanken Körper und enthüllte ihre kleinen, straffen Brüste. Ten O’Shadiif zwang seinen Blick über die Brüstung der Veranda in die Ferne.
»Sie wurden beseitigt, Raoula. Vollständig. Ebenso wie der damalige Cektronn, Rud El’Ottar.«
Die Benedictine sah ihn prüfend an. Er hielt dem Blick diesmal nur kurz stand. Er erkannte: In der Tiefe ihrer Augen wurde ihr wahres Alter sichtbar. Ihm schwindelte.
»Ihr versteht, dass ich diese Details nicht alle im Kopf habe, Toreki«, sie schlug ihre Beine übereinander, »entschuldigt mich bitte einen Moment.«
Bevor O’Shadiif etwas erwidern konnte, hatte sie sich leicht an die steinerne Mauer angelehnt und dabei die Augen mit den langen Wimpern geschlossen. Ihre linke Hand stützte mit drei Fingern den gesenkten, zarten Kopf. Ein paar lange, blonde Haarsträhnen wehten in einer Windböe. So verharrte sie mehrere Sekunden lang, während er nur dasitzen und sie fasziniert beobachten konnte – eine fast zweihundertjährige Greisin im perfekten Körper eines zwanzig Jahre alten Mädchens. Auf ihren geschlossenen Augenlidern erkannte er die implantierten Sphären der Kirche. Er wagte es nicht zu sprechen oder auch nur laut zu atmen, während ihm bewusst wurde, dass sich dieser Anblick auf Lebenszeit in sein Hirn einbrannte.
Dann öffnete sie unvermittelt ihre Augen und ein harter Blick ließ ihn innerlich zusammenzucken.
Ten O’Shadiif fühlte sich wie elektrisiert. Raoula richtete sich langsam wieder auf, während sie ihren Blick langsam entspannte und von seinen Augen löste. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Ich danke Euch für Eure Geduld Toreki, ich habe mir die Details besorgt. Es ermüdet mich immer sehr.«
Er fühlte sich schlagartig unwohl, als ihm klar wurde, wie sie an diese Daten gekommen war.
Dass er da nicht schon früher drauf gekommen war!
Dieser Ort war wie alle Besitztümer der Kirche mit einem Gedankenscanner ausgerüstet. Er war sich sicher, dass bis jetzt noch niemand versucht hatte, in seinen Gedanken zu lesen, aber allein das Vorhandensein eines solchen Gerätes bedrohte ihn.
Sie schien das gefühlt zu haben.
»Entschuldigt bitte, Toreki. In dieser Kathedrale gibt es diese Technik ausschließlich für mich als persönliche Erinnerungshilfe. Es gibt so viele Informationen. Eure Gedanken werden selbstverständlich nicht beobachtet.«
Ihre Fingerspitzen strichen beruhigend über seinen Arm und nahmen seine Hand. Ihr Gesicht kam dicht an seines heran. »Bevor ich Euch die Informationen gebe, die ich gefunden habe, Toreki«, ihre Augen waren nur eine Handbreit von seinen entfernt, er konnte das leichte Flattern ihrer Nasenflügel sehen, »sagt mir bitte, was sie Euch wert sind!«
Ten O’Shadiif stutzte einen Moment, dann setzte er sich auf und vergrößerte den Abstand zu ihren Augen. Ein lautes Lachen brach aus ihm heraus. Behutsam löste er seine Hand aus ihren Fingern.
»Wert sind?« Er sprang auf und sprach lauter, als er vorgehabt hatte. »Was sie mir wert sind? Ihr meint, ich soll für die Informationen bezahlen, Raoula?«
Sie lächelte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen für seine gespielte Ereiferung an.
»Mit anderen Informationen, Toreki; ist das so unüblich in unserem Geschäft?«
O’Shadiif grinste. »Was wollt Ihr wissen?« Jetzt war er in seinem Element. Sie wollte verhandeln.
»Sagt mir, was Ihr aufgrund meiner Informationen weiter herausbekommt. Alles .« Ihre Augen funkelten. Perfekte Zähne blitzten ihn an.
Er würde entscheiden, was sie erfuhr und was nicht. »Gut.« Ten O’Shadiif nickte. »Ihr werdet es erfahren.«
Gespannt sah er sie an. »Was habt Ihr gefunden, Raoula?«
Sie erhob sich und ging langsam den runden Balkon entlang.
Windböen zupften an den blonden Locken über ihren Schläfen.
»König Bengsten Treerose hatte zum Ende des 27. Jahrtausends den Entschluss gefasst, die Königreiche zu einen. Er war davon überzeugt gewesen, dass nur eine starke Koalition der Reiche, dem expansionistischen Streben des Zentrums auf Dauer Einhalt gebieten konnte. Die Königreiche selbst waren in der Mehrzahl nicht daran interessiert, sich friedlich zu einigen – auch wenn ihre andauernden Kriege untereinander sie bereits sehr geschwächt hatten. Doch selbst das stärkste Königreich Treerose/Restront war allein nicht dazu in der Lage, eine alle befriedende Ordnungsmacht aufzustellen.«
Sie
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