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Coruum Vol. 1

Coruum Vol. 1

Titel: Coruum Vol. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael R. Baier
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schockähnlichen Zustand. Ich hatte sie kurzerhand zu einem Ausflug nach Tikal eingeladen – mitgenommen – war das richtige Wort, sie stand völlig neben sich. Wir fuhren in ihrem VW und ich hoffte, ein paar Stunden Abwechselung in einer nach wie vor intakten Maya-Stadt würde ihr vielleicht helfen, wieder etwas Boden unter die Füße zu bekommen.
    Das Radio brummelte vor sich hin und spielte für die Region typische Musik, die nur von längeren Monologen des Radiosprechers unterbrochen wurde. Mein Spanisch war nicht gut genug, um auch nur ansatzweise die Inhalte aufzunehmen. Karen hockte tief in Gedanken versunken auf dem Beifahrersitz, während ich den VW möglichst gefühlvoll um die größten Pfützen herumlenkte. Auf dem Schoß hatte sie einen Stapel ausgedruckter Papierseiten, der letzten Version von Miguels Abschlußbericht, die er ihr per Email am Nachmittag vor seiner Ermordung geschickt hatte. Die ganze Fahrt über hatte sie sich an das Papier geklammert.
    »Sie kündigen ein Unwetter an, Don.« Ich zuckte am Steuer leicht zusammen, als Karen das Wort ergriff.
    »Was?«
    »Im Radio! Es kommt ein großes Tiefdruckgebiet vom Atlantik. Es hat bereits die mexikanische Küste nördlich von Belize erreicht. Windgeschwindigkeiten über 120 Meilen.«
    »Üblicherweise kommen Hurrikans nicht ins Landesinnere, Karen. Die Küstenregion wird sie aufhalten.« Ich versuchte, meiner Stimme einen festen Klang zu geben. Einen Orkan konnten wir angesichts der komplizierten Entwässerungslage auf dem Ausgrabungsgelände wirklich nicht gebrauchen.
    »Hoffen wir das Beste. Die Behörden haben bereits die Evakuierung von Landstrichen in der Bahn des Tiefdruckgebietes angeordnet.« Sie klang gleichgültig. »In drei Tagen wäre der Hurrikane bei uns, wenn er seinen Kurs und seine Geschwindigkeit beibehält.«
    Nachdem wir den Besucherparkplatz erreicht und ich das Auto im Schatten einer größtenteils verfallenen, aber immer noch mächtigen alten Kalksteinmauer abgestellt hatte, zog ich Karen zu einem der vielen kleinen Stände, die frischen Kakao ausschenkten, und kaufte uns zwei Becher. Ich tat in jeden einen Schuss MacAllon 21 aus meinem Geheimvorrat, der sich deutlich seinem Ende zuneigte.
    Der Parkranger am Eingang nickte uns freundlich zu und winkte uns an der langen Schlange der wartenden Touristen vorbei.
    Karen probierte vorsichtig den heißen Kakao und nickte mir dankbar zu, als sie den Alkohol in ihm schmeckte. Langsam schlenderten wir in der brütenden Sonne durch die mit feinen Linien reliefierten Ruinen der Gruppe G auf die Südakropolis und den großen Platz zu.
    Ich suchte einen großen Kalkfelsen aus, der uns, etwas erhöht im Schatten zweier Kiefern liegend, einen guten Überblick über den grasbewachsenen Platz bescherte. Karen ließ sich erschöpft neben dem Felsen ins Gras sinken, lehnte ihren Kopf an das kühle Gestein und nippte an dem hochprozentigen Kakao.
    Langsam löste sich ihre Spannung, als der weiche Geschmack des Alkohols ihre Sinne wiederbelebte.
    Ich setzte mich neben sie und betrachtete die an den großen Platz angrenzenden Bauten der Zentralakropolis. Die Altare und Stelen des Platzes, aufgereiht vor den langgezogenen Stufen zur Akropolis, waren – verglichen mit der wie auf Hochglanz polierten, fabrikneuen Stele aus Coruum – in einem bedauernswerten Zustand. Der direkte Vergleich der Stelenqualität aus Tikal und Coruum würde auch den letzten Zweifler von der Andersartigkeit des Monumentes in Coruum überzeugen.
    Am fahlen Horizont ertönte schwach das Brummen der amerikanischen Transportflugzeuge, die sich unsichtbar, im Tiefflug über den hohen Baumwipfeln des Regenwaldes, der verlängerten Landebahn des Flughafens von Flores näherten.
    Captain Johns hatte, wie von Professor Warren angekündigt, keine Zeit verloren, und mit dem Abtransport der Funde aus dem Depot unverzüglich begonnen. In einer der ersten abfliegenden Maschinen war der Wachroboter gewesen, der allein für sich bereits ein unglaubliches Spektrum an wissenschaftlichen Geheimnissen barg. Ich war gespannt, wie viel Schaden er anrichten würde, sollten die Wissenschaftler ihn tatsächlich in ihrer geheimen Basis reaktivieren können.
    Im Nachhinein war es mir sehr recht, dass es zur Zeit nicht möglich war, in den Hieroglyphenraum in Coruum einzudringen. Für uns bedeutete dies zwar, dass wir die gestohlenen Aufzeichnungen im Moment nicht ersetzen konnten, auf der anderen Seite war er jedoch dem gierigen Zugriff des

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