Coruum Vol. 1
geheimnisvolle Material entlang. Ich strich mit meinem Handschuh darüber reibungslos .
Ich zog mir einen Handschuh aus und legte meine Hand auf die Stele. Ich fühlte die Wärme in ihr unmittelbar. Sie war gleichmäßig, ganz gleich wohin ich mit meiner Hand auf der Oberfläche strich. Miguel war dicht neben mir. Er zeigte in meinem Gesichtsfeld in eine Richtung. Ich bewegte mich langsam dorthin. Er schob mich noch ein Stück weiter und endlich sah ich die Gravuren in ihrer Oberfläche. Die Hieroglyphen!
In zwei exakt untereinander ausgerichteten Spalten waren sie in die Stele eingearbeitet. Jede handgroß und exakt rechtwinklig zu den anderen ausgerichtet.
Aye! In diesem Moment war ich zu hundert Prozent davon überzeugt, dass dieser Stein nicht von den Maya hergestellt worden war. Meine Fingerspitzen betasteten die Hieroglyphen. Sie waren wie von einer diamantenen Klinge in die Oberfläche graviert, vollkommen gleichmäßig, sowohl von der Tiefe des Reliefs als auch vom Winkel der Flanken her.
Kein Vergleich mit meinen Fotokopien der Abzüge einiger Unterwasserfotos. Kein Vergleich mit irgendetwas, das ich schon einmal gesehen hatte.
Ich folgte mit den Fingern ihren Formen. Nicht eine Stelle war für mich zu erkennen oder zu erfühlen, wo ein Werkzeug angesetzt oder ausgerutscht war. Einfach makellos. Unvorstellbar für eine Kultur zu der damaligen Zeit.
Die Emblemhieroglyphe des Königs stach mir ins Auge. Sie war wunderschön. Der Quetzal-Vogel war sehr gut getroffen, seine langen Federn detailliert herausgearbeitet. Ich schwamm so dicht wie möglich heran und betrachtete die fremdartigen Nebenglyphen. Das Auge mit den zwei Pupillen, den ausbrechenden Vulkan und die Schleife mit den drei kopfstehenden Ausrufezeichen. Alles perfekt.
Ich verfolgte die Zeichen in ihrer Doppelspalte nach unten, fand die quer über beide Spalten verlaufende Einführungshieroglyphe, die Notation der Daten einleitend, bis ich den anderen Tauchern ins Gehege kam, ohne die fremdartigen neuen Zeichen am unteren Ende der Stele erreicht zu haben.
Ich fühlte eine Berührung an der Schulter. Miguel zog mich langsam nach oben. Wir tauchten auf, schwammen ein wenig zur Seite und spuckten die Mundstücke aus.
Ich war sprachlos. Miguel spürte es und schwieg seinerseits um mir den Moment nicht zu zerstören.
Ich legte mich auf den Rücken und trieb mit leichten Flossenschlägen aus der Öffnung des Loches wieder unter das zerklüftete Dach der Höhle. Der gebündelte Strahl meiner LED-Lampe entblößte die zerklüfteten Strukturen der Höhlendecke und die ebenmäßig gemauerten Wände. Der halbkreisförmige Torstein über dem Ponton stach deutlich im Licht hervor, noch verstärkt durch seinen Schatten, den er auf die dahinterliegende Wand warf.
»Lass uns dorthin schwimmen, Miguel, ich will mir das ansehen.«
Er nickte und folgte mir. Ich machte mich flach beim Schwimmen, nachdem ich einige Male mit den Knien an unter der Wasseroberfläche liegende Steine gestoßen war. Direkt unter dem Torring stieß ich gegen einen besonders großen Stein und zuckte zurück. Ich steckte meinen zweiten Handschuh hinter meinen Gürtel und nahm das Mundstück wieder auf. Ich machte Miguel das Zeichen zum Abtauchen. Er nickte.
Meine Lampe zeigte mir unter Wasser, was ich vermutet hatte – es war die abgebrochene Hälfte des Torringes an der Wand. Ich untersuchte sie im Licht der Lampe und befühlte auch ihre Oberfläche. Sie war vollkommen anders als die der Stele. Porös, bleich, rau und kalt, angenagt von Zahn der Zeit. Mit meinem Fingernagel konnte ich sie leicht anritzen. Ich befühlte die Hieroglyphen, die das Fragment vollkommen überzogen. Der untere Teil war ebenso wie bei der Stele im Schlamm versunken. Meine Finger folgten der Form, soweit es ging, lockerten den Schlamm in einer leicht kreisenden Bewegung.
Ich zuckte zurück, als einer meiner Fingernägel schmerzhaft umknickte. Vorsichtig griff ich erneut an die Stelle und tastete umher.
Da war etwas!
Ich bewegte meine Hand vorsichtig im Kreis und erweiterte das Loch so weit, bis ich die Form von dem, was dort lag, ertasten konnte. Es war ein scheibenförmiger unregelmäßig geformter Gegenstand aus einem glatten Material. Ungefähr handtellergroß, der gut 30 – 40 cm tief eingegraben lag. Ich fasste kurzentschlossen zu und zog. Langsam, ganz langsam löste er sich aus dem Schlamm und kam frei.
Ich fühlte meine Aufregung. Miguel war gerade nicht an meiner Seite. Ich drehte mich um
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