Coruum Vol. 3
künstlichen Linsen der Urmutter. »Das Überraschungsmoment ist verflogen, wir haben noch ungefähr fünf Tage, bis die Tektor-Protokolle in den verbleibenden Königreichen abgearbeitet sind, Ramone. Danach werden sich die Schattentruppen ohne Dominion und Siinstep/Prokon neu organisiert haben und Treerose wird diesem System einen Besuch abstatten!«
Die Urmutter griff nach seiner Hand und hielt sie fest. »Ich spüre starke Zweifel, Lieber. Niemand wird Cetna lebend verlassen. Ich kann Euch beruhigen – wir werden siegen.«
»Pah!« Metcalfe riss sich los. »Ramone – dazu gehört mehr!«
Die Urmutter ließ sich durch seinen Ausbruch nicht beirren. Sie fühlte, dass ihre Einschätzung begründet war. »Unser nächster Schlag wird die Organisation enthaupten – und Euch den Weg ebnen, die Königreiche neu zu ordnen.«
Die hochgewachsene Statur von Metcalfe sah die zierliche Frau irritiert an.
»Wenn wir Treerose treffen und gleichzeitig Chrunus zerstören, werden die übrigen Könige Euch folgen oder untergehen, Lieber.«
»Ihr wollt Chrunus angreifen?«
Die heftige Reaktion Metcalfes reizte Ramone beinahe zum Lachen.
»Ihr habt es selbst gesagt, Lieber. Die Organisation ist zurzeit durch die Abarbeitung der Tektor-Protokolle gelähmt. Wie entschieden wird eine Verteidigung nach außen sein, wenn die Verteidiger gleichzeitig gegeneinander kämpfen?« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Die Urmutter wartete auf ein sichtbares Zeichen seiner Zustimmung.
Langsam nickte er. »Das könnte funktionieren.«
»Es wird funktionieren, Lieber. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Treerose auf dem Weg nach Chrunus ist.« Ihr Blick wurde selbstgefällig. »Er will sichergehen, dass die abtrünnigen Schattentruppen von Dominion und Prokon schnell aussortiert werden und das System wieder verlässlich ist.«
Metcalfe schwieg, während er die Aussichten eines solchen Angriffs abschätzte.
»Es kann gelingen, wenn es schnell geht – innerhalb der nächsten zwei oder drei Tage – und wir meine Einheiten dort erreichen können, bevor sie sich ergeben müssen. Im Erfolgsfall dürfte auch der Umgang mit der Unsichtbaren Flotte einfacher werden. Sie wird sich neutral verhalten, wenn sich ein schneller Sieg abzeichnet«, dachte er laut.
»Die Erste Händlerin war schon immer eine Hure, Lieber«, sagte Ramone verächtlich. Die künstlichen Linsen in Form der Sphären reflektierten das Sonnenlicht in ihren Augen. »Karbedi mas Boroudy hat sich schon immer dem hingegeben, der ihr am meisten geboten hat – nur wird sie diesmal nicht sehr viel für ihre Dienste erhalten – falls sie die neue Evolutionsstufe des Nebels miterleben möchte.«
Roter Nebel, Triumphane, Sitz der Benedictine
30397/1/39 SGC
17. November 2014
Raoula
Der Säulengang zur Kapelle der Unsterblichkeit lag verlassen vor ihr. Die mit kirchlichen Motiven bemalten elliptischen Säulen und Gewölbesegmente waren überwiegend in blauen Farben gehalten und wurden aus dem steinernen Boden indirekt beleuchtet. Der Gang wand sich mit mäßigem Gefälle weit in den Fels unter der Kathedrale der Benedictine. Tief in Gedanken versunken, folgte sie auf nackten Füßen unter dem eng anliegenden, roten Gewand dem Weg nach unten, während Raoula mit geschlossenen Augen die letzten Informationen ihres Primus analysierte. Die zentralen Datenspeicher der Kathedrale besaßen ein einzigartiges Gedankenportal, das es nur ihr ermöglichte, von jedem Ort innerhalb des Gebäudes auf sämtliche Informationen zuzugreifen.
Wir haben so gut wie nichts mehr vorgefunden, Mutter. Ritter des Inneren Kreises waren vor uns in der Abtei gewesen und haben sie sterilisiert. Die Knappen, Novizen, Ritter von Vater Debruhik – jeder in seinem Verantwortungsbereich war als Zweifler hingerichtet worden – bereits kurz nach der Ergreifung des Abtes und weit vor seiner eigenen Erleuchtung auf Innocentia. Keine Spuren von physikalischen Aufzeichnungen, keinerlei materielle Dinge. Lediglich dieses Fragment eines Codes hat sich auf die KI unseres Landungsbootes heruntergeladen, nachdem wir Serkan wieder verlassen hatten.
Raoulas Schritt stockte. Die in ihre Augenlider implantierten Sphären der Kirche flackerten leicht. In ihren Gedanken drehte sie das Codefragment wie einen komplexes, dreidimensionales Geflecht aus Linien und festen Segmenten hin und her, untersuchte es, spielte mit ihm, suchte mit ihrer gesamten Energie den Zugang zu seiner Entschlüsselung.
Plötzlich hatte
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