Coruum Vol. 3
Strukturen zu führen, hatte ihr zu großem Ansehen bei der Urmutter gereicht – aus keinem anderen Grund hatte Ramone sie zeitgleich mit der Demütigung zu ihrer Stellvertreterin ernannt. Sie hatte ihr ein deutliches Zeichen gegeben, wollte jedoch auf ihr Geschick nicht verzichten und glaubte ihre Benedictine ausreichend kontrollieren zu können.
Raoula drehte sich auf ihrem Audienzsessel, in dem sie die letzte Stunde zusammengekauert gesessen hatte, streckte ihre Beine, wischte sich mit dem Handrücken Tränen aus den Augen und strich einige blonde Locken aus ihrem zarten Gesicht.
Kommt herein!
Schon vor längerer Zeit hatte sie ihren neuen Primus außerhalb des Audienzgemachs warten gespürt. Jetzt trat er durch eine kleine Pforte und näherte sich ihr bis auf drei Schritte. Betrübt und doch innerlich bestärkt sah sie auf den kleinen Gegenstand, den ihr der Kommandant ihrer Leibgarde auf der Innenseite seines Panzerhandschuhs reichte.
Näher!
Der Kirchenritter beugte sich zu seiner grazilen Oberen herunter, so dass Raoula den kleinen Gegenstand genauer betrachten konnte.
»Ist es das, was ich vermutet habe?«
»Ja, Mutter. Ein modifizierter Cortex-Scanner – wir haben ihn in seinem Stammhirn gefunden. Er konnte damit gleichzeitig empfangen und senden – Euer Verdacht war begründet. Der Speicher war gelöscht, wir konnten keinerlei Informationen mehr auslesen.«
Das war auch nicht nötig gewesen. Sie selbst hatte ihren bisherigen Primus am Morgen gerichtet. Nur er konnte sie ausspioniert haben, nur er war ständig in ihrer Nähe gewesen, um die Urmutter über jeden ihrer Schritte zu unterrichten – zuletzt über ihren Besuch auf Infinitum. Er hatte vor seinem Tod nicht gestanden.
»Wir gehen davon aus, dass der Scanner seine Entscheidungsfreiheit eingeschränkt hat – er hatte Euch nichts sagen können.«
Raoula nahm schweigend das gereinigte Benedictinen-Zepter entgegen, das der Primus ihr reichte. »Wer noch?«
Der Ritter schüttelte den gepanzerten Kopf. »Wir können es nicht herausfinden, ohne nachzusehen, Mutter – es wird weitere geben.«
Die Benedictine hatte es natürlich seit Jahren gewusst und darauf hingearbeitet, loyale Ritter um sich zu scharen. Doch Ramone hatte so viel mehr Erfahrung darin als sie, Netzwerke zu knüpfen – es war ein unendliches Spiel.
»Werdet Ihr der Reinkarnation von Vater Rastolon beiwohnen, Mutter?«
Sie sah auf sein elektronisches Visier, auf die Stelle, unter der sich seine Augen befanden. »Ich habe es versprochen, Primus. Ich werde dabei sein.«
Die große Gestalt im dunkelroten Ornat zögerte. Raoula spürte, dass er weitere Informationen für sie hatte.
Was noch?
Der Ritter zuckte unmerklich zusammen, als die ungeduldige Frage in seinem Kopf aufbrauste.
»Damon und Nestor«, er zögerte, »wir haben sie gefunden, Mutter.«
Raoula richtete sich ruckartig auf, zog ihr rotes Gewand zurecht. Er hat unsere Söhne nach sich selbst und seinem Vater benannt! Plötzlich aufsteigende Röte füllte ihre bleichen Wangen.
»Sie sind noch auf Antaros, Mutter. Als Mündel der Urmutter verwalten sie das Legat.«
Raoula schloss die Augen. Ich muss sie sehen!
»Das geht nicht. Ramone würde es sofort erfahren.«
Der Blick der Benedictine war unmissverständlich. Das leise Klicken der wie spielerisch auseinanderfahrenden Sichelklingen ihres Zepters schien ungewöhnlich laut in der plötzlichen Stille.
Dann holt sie! Lasst Euch etwas einfallen, Primus!
Roter Nebel, Nebelwelten, Innocentia II, Planet der Urmutter
30397/1/38 SGC
16. November 2014
Ramone
Kostbare Blutperlen, aneinandergereiht auf schwarzen, kristallinen Bändern, eingeflochten in hellblondes Haar, klickten leise aneinander. Die zunehmende Brise kühlte Ramones Haut in der heißen Mittagssonne. Mit einem scharfen Zischen durchschnitt die superkritische Linie des schwarzen Hauptrumpfes hinter und unter ihr die sanfte Dünung des Meeres und erzeugte ein gleichmäßiges Geräuschmuster, welches ihr bei geschlossenen Augen vorzüglich zur Entspannung diente.
Eine Bö erfasste den eleganten Trimaran, drückte ihn zur Seite. Der Steuerbord-Ausleger hob sich leicht aus den Wellen, entblößte dabei für Sekunden eine filigrane, nach innen, zum Hauptrumpf, gekippte Tragfläche, bevor er gemächlich gischtend wieder auf der tiefblauen Wasseroberfläche aufsetzte. Der Ausdruck eines unbestimmbaren Lächelns lag auf den feinen Gesichtszügen der Urmutter. Viel zu selten hatte sie in den
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