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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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nicht so zugelangt. Sonst denkt Ihr Chef noch, Sie bekommen bei mir nicht genug.«
          »Er weiß, dass ich gut versorgt werde, Frau Bergmoser.« Das Wasser kochte, ich goss es über den Beutel Kamillentee, den ich schon in eine Tasse gehängt hatte.
          »Ja, das ist gut für die Verdauung«, stellte Frau Bergmoser zufrieden fest, bevor sie zu der Frage kam, die ich schon lange befürchtet hatte: »Wo waren Sie letzte Nacht?« Wäre sie nicht so enttäuscht über das verschmähte Gulasch gewesen, hätte sie die Neugier bestimmt nicht so lange zügeln können.
          »Es ist bei der Arbeit spät geworden. Ich wollte Sie nicht wecken, deshalb habe ich dankend das Angebot eines Kollegen angenommen, bei ihm auf der Couch zu schlafen.«
          Frau Bergmoser zog die linke Augenbraue hoch. »Sie können mir ruhig sagen, wenn Sie ein junges Mädchen kennengelernt haben«, sagte sie. Aber sie gab sich mit meiner Auskunft zufrieden, entfernte sich aus der Küche, während ich den Aufgussbeutel aus der Tasse nahm und in den Mülleimer warf. Kurz überlegte ich, ihr etwas Tröstendes hinterher zu rufen, ließ es aber bleiben und ging in mein Zimmer.
          Aus dem Radio drang leise ›Earth Angle‹ von den Penguins. »I´m just a fool, a fool in love with you«, sang ich den Text mit. Wie wahr.
          Der Tee beruhigte mich, die Wärme meines Zimmers versetzte mich in milde Schläfrigkeit. Ich zog mich aus, legte mich ins Bett und las in ›Stiller‹, einem Buch, das mir Theodore zu Weihnachten geschenkt hatte. Irgendwie passte es. Auf alle Fälle machte es mich müde genug, um aufzustehen, das Radio auszuschalten, als gerade ›Mr. Sandman‹ von den Chordettes lief, und zu schlafen. Der Sandmann wurde zwar um einen Traum gebeten, aber viel zu schnell, um dazu einzuschlafen.
          
          Der Sandmann hat die Bitte gehört, obwohl ich sie unterbrochen habe. Unter der behaglichen Federdecke gefangen, im Dämmerzustand der Gedanken gesellt sich Darius zu mir, klein wie ein neunjähriger Junge, blond wie Heinrich.
          Er geht mit mir durch den Wald, wir tragen kurze Lederhosen und wollene kratzende Kniestrümpfe. Die Sonne scheint, doch die Strahlen dringen nur in dünnen Streifen durch die dicht stehenden Bäume. Es ist kühl. Die Gesichter der anderen Kinder kann ich nicht erkennen. Es sind viele Gesichter. Gesichter, die Gestalt annehmen und sich wieder auflösen, bevor sie mir etwas sagen können. Dariusheinrich bricht einen Tannenzweig ab, schlägt ihn erst bei jedem Schritt auf den Boden, als das langweilig wird, bei jedem zweiten auf meinen Hosenboden. Durch das dicke Leder hindurch tut es nicht weh.
          Ein Pfarrer eilt zu ihm, nimmt den Zweig aus Dariusheinrichs Hand.
          »Hose runter«, befiehlt er und blickt meinen Freund streng an. Die gestaltlosen Gesichter der anderen Knaben glotzen schweigend neugierig auf die Szene, sammeln sich im Halbkreis. Dariusheinrich streift folgsam die Träger der Lederhose von den Schultern, löst die beiden Knöpfe des Latzes und zieht die Hose bis zu den Knien. Er weiß, was kommen soll. Es bedarf nur eines scharfen Blicks des Geistlichen, damit er auch die Unterhose herunterzerrt und sich schnell nach vorne bückt, zum einen, um seine Scham zu verbergen, zum anderen, um das lange weiße Hemd hochzuziehen, den Hintern zu entblößen und die Schläge zu empfangen.
          Der Geistliche nimmt den Tannenzweig und versetzt damit dem Gesäß des Jungen Hiebe, einmal, zweimal, dreimal …
          Er holt ordentlich aus, missachtet oder genießt Dariusheinrichs Gewimmer.
          Ich sehe auf den sich rötenden Hintern, auf die runde Form, die glatte Haut, die langsam zu striemigen Rissen aufplatzt, und wünsche mir, die Verletzungen zu behandeln, mit Salbe einzureiben und die vollen Backen unter meinen Händen zu spüren.
          Die Schreie tun mir weh.
          Der Blick meines Freundes schmerzt, kein Spaziergang mehr, um frische Luft im Krieg zu atmen, sondern der große Tisch im Schullandheim, Dariusheinrich an meiner Seite sitzt nur auf der äußersten Kante des harten Stuhls. Er hockt mehr in der Luft über dem Stuhl schwebend, als dass er den schmerzenden Po wirklich belastet. Ich frage, ob ich ihm ein Brot machen soll, aber er lehnt ab, er hätte keinen Hunger.
          Das Gesicht vergräbt er im Kissen, er liegt auf dem Bauch in der dritten Etage des Bettes, die anderen Knaben toben im Nachthemd durch

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