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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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Ein Kratzen an der Tür. Ein tiefes Bellen.
    Ich stürzte durch den Raum und riss die Tür auf. Der Labrador sprang mich an und leckte meine Tränen von den Wangen. Ich schmiegte mein Gesicht an das weizenfarbene Fell und konnte nicht anders, als laut zu lachen. Dann rannte ich in die Küche. Meine Großmutter geriet ins Straucheln, als ich meine Arme um ihren Hals schlang.
    „Langsam, Catrin.“ Sie stellte das Kuchenblech auf einen Rost und nahm meine Hände in ihre.
    Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich habe dich so vermisst!“
    Der Hund hüpfte aufgeregt um uns herum und schnüffelte an meinen Beinen.
    „Aus, Johnny! Du wirfst Catrin noch um, was ist denn los mit dir?“
    „Ach das macht doch nichts“, sagte ich. „Er freut sich eben mich wiederzusehen nach so langer Zeit.“
    Großmutter schüttelte den Kopf. „Verrückte Familie!“
    „Ja, das sind wir!“, antwortete ich. „Wer seinen Hund Johnny Cash nennt, muss ein bisschen verrückt sein.“
    „Freches Gör.“ Sie gab mir einen Klaps und scheuchte mich aus der Küche. „Setzt euch hin, ich bringe gleich den Kuchen.“
    Ich drückte mich neben Agnès auf die Eckbank. Spontan zog ich sie an mich und gab ihr einen langen Kuss. Ich strich ihr die Haare aus der Stirn. „Ich weiß nicht ob das ein Traum ist, aber wenn es einer ist, dann möchte ich nie wieder aufwachen.“
    Großmutter stellte den duftenden Kuchen auf dem Tisch ab. Sie schaltete die Stehlampe ein. „Rabennacht“, flüsterte sie und schloss die Fensterläden. „Der Winter kam so schnell dieses Jahr, ich hatte gar keine Zeit mehr die Dachrinne zu reparieren.“
    Ich schenkte den Kakao ein und Großmutter Rose tat sich einen kräftigen Schlag Sahne darauf. Ich grinste, als sie mit geschlossenen Augen an ihrem Getränk schlürfte.
    „Das Alter hat auch seine guten Seiten“, seufzte sie. „Es kommt auf ein paar Kilo mehr oder weniger nicht an, Hauptsache hier oben“, sie tippte sich an die Stirn, „ist noch alles in Form.“
    Ich nahm mir ein Stück des warmen Apfelkuchens und lächelte . Ja, es war alles beim Alten. Als hätte jemand die Uhr zurückgedreht. Wie zum Beweis schlug die Standuhr. Ich zählte vier volle Schläge.
    Als nur noch ein kläglicher Rest des Kuchens übrig war, räumte ich den Tisch ab. Agnès half mir beim Geschirrspülen.
    „Können wir etwas hier bleiben?“, fragte ich. Sie nickte nur und ein mulmiges Gefühl trübte meine gute Laune. „Du kannst auch hier nicht sprechen. Warum ist das so? Du erklärst es mir doch, wenn wir zurückgehen?“
    Sie atmete tief durch und legte ihre Stirn an meine. Ihr Atem streifte meine Wange und ich schloss für einen Moment die Augen; gab mich ganz dem Gefühl hin. Ihre Finger fuhren an meiner Wirbelsäule entlang.
    „Lass uns ins Wohnzimmer gehen“, flüsterte ich. „Wir beide haben noch so viel Zeit. Aber …“ Ich schluckte . Wie viel Zeit würde ich noch mit Großmutter verbringen können? Könnten wir zurückkommen? Und wäre sie dann noch hier?
    Wir füllten unsere Tassen auf und setzten uns leise aufs Sofa. Aus dem Ohrensessel drang ein schwaches Schnarchen. Großmutter Rose hatte die Hände über einem Buch gefaltet. Ihr Kopf lag an einem bestickten Kissen, die Lesebrille hing schief auf ihrer Nase. Das dämmrige Licht der Stehlampe glättete ihre Falten. Ich zog die Beine an und kuschelte mich an Agnès. Das Buch glitt aus Großmutters Händen und sie schreckte auf.
    „Ist es schon Zeit für eure Geschichte, Kinder?“, murmelte sie verschlafen. Dann nippte sie an ihrem Sherry und schmatzte genießerisch. „Erinnerst du dich daran, wie das kleine Mädchen vor den wütenden Dorfbewohnern in den Wald geflüchtet ist? Da waren wir letztes Mal stehen geblieben, meine ich.“
    „Sie konnte nicht fliegen“, flüsterte ich mit zitternden Lippen. „Sie hat es versucht, aber sie konnte es einfach nicht.“
    „Konnte sie nicht?“ Großmutter rückte ihre Brille gerade und sah mich über die schmalen Gläser hinweg an. „Oder hat sie nur nicht genug daran geglaubt?“
    „Sie hat sich angestrengt, sie wollte doch! Denkst du sie hätte sich nicht genug bemüht?“ Ich funkelte meine Großmutter aufgebracht an. Ich hatte keine Ahnung, warum ich mich so aufregte, aber es ärgerte mich, dass sie offenbar glaubte, das Mädchen wäre selbst Schuld daran, dass es nicht funktioniert hatte. „Vielleicht hatte sie einfach mehr Angst davor, es zu können, als vor den Dorfbewohnern.“ Ich nahm meinen Kakao

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