Cosm
Faltern mit Schnäbeln.
»He, Mädel! Warte doch mal.«
An der Kreuzung Ocean und Beach wurde Alicia von Jill überholt. »Du siehst großartig aus.«
»Hab ‘nen Mann kennengelernt und bin aufgeblüht«, keuchte Jill.
»Wen?«
»Dann haben wir uns getrennt, aber die Schönheit ist geblieben.«
»Wenigstens hast du ihn nicht aus kosmetischen Gründen behalten.«
»Und du? Was ist mit dem Kerl, mit dem du die ganze Zeit zusammenarbeitest?«
»Max? Der ist super, aber nicht mein Typ.«
»Was ist los mit ihm? Schwul? Oder tot?«
Alicia mußte lachen. Jill ließ sich nicht so leicht abwimmeln. »Er ist ein anständiger Kerl, aber er macht mich nicht an.«
»Jedenfalls nicht sofort.«
»Das heißt?«
Jill blieb vor der glänzenden Stahlfassade des Restaurants No Strangers stehen und neigte den Kopf zur Seite, wie sie es immer tat, wenn sie besorgt war. »Du wirst dich nie in der ersten Mikrosekunde verknallen. Ich übrigens auch nicht, wenn ich ehrlich bin, auch wenn ich mir noch so viel Mühe gebe.«
»Max, nun ja, wir haben in letzter Zeit viel zusammengearbeitet …«
»Seit wann ist das ein Antiaphrodisiacum?«
»Das nicht, aber ich habe im Moment ‘ne Menge um die Ohren.«
»Du mußt öfter mal raus aus deinem Kopf.«
»Mir reicht es schon, daß ich aus dem Labor raus bin. Das ist das erste Mal seit … – einem Monat? –, daß ich wieder mit dir reden kann. Warum muß das ausgerechnet auf der Straße sein?«
»Weil ich mir die Biker ansehen will. Und damit du dich beruhigen kannst, bevor du diesen Anwalt triffst.«
»Mit Anwälten werde ich schon fertig. Das Problem ist eher mein Dad.«
Jill war auch in diesen turbulenten Wochen ein guter Kumpel geblieben, was Alicia von ihren Bekannten aus Universitätskreisen nicht behaupten konnte. Ihre Freunde riefen nur selten an, und umgekehrt war es genauso. Die Beziehungen waren eher schleppend, man hielt den Kontakt aufrecht, indem man einmal im Monat zusammen ins Kino oder zum Essen ging; Geburtstage wurden in stillschweigendem Einvernehmen nicht beachtet. Jills Freunde waren anders. Die telefonierten alle paar Tage einmal, schmissen Parties mit allen Schikanen (sogar mit Spielchen), gaben sich Spitznamen, die dann auch verwendet wurden, sahen alle gut aus, waren schlank und hatten in bezug auf Mode (dieses Jahr schmal, aber salopp) den gleichen Geschmack. Wie Jill, die ihr ›Spezialwerkzeug‹ zum Schlösserknacken immer bei sich trug, hatten auch alle anderen irgendeine sympathische Marotte. Kurzum, die ganze Clique hätte in einer Fernsehserie auftreten können. Alicia war überzeugt, daß es in der Schwarzen Bourgeoisie ähnliche Gruppierungen gab, aber sie hatte sich dort nie wohl gefühlt, wahrscheinlich war sie einfach zu langweilig; nur von Jill wurde sie ohne Wenn und Aber als Gleichgesinnte akzeptiert.
»Keine Müdigkeit vorschützen«, sagte Jill und schob Alicia mit gespieltem Ernst durch die offene Restauranttür, die aussah wie ein Mund mit blanken Metallzähnen. Der Innenraum mit den kahlen Betonwänden, den offenen Leitungen und der grellen Beleuchtung war so ungemütlich wie eine Surrealistenbar. Ziemlich in, aber letztlich doch nur eine Kneipe, wo das Mittagessen Luncheon hieß und sechs Dollar teurer war als anderswo.
»Dad!« Der schlanke Schwarze neben ihm war wohl Bernie Ross. Ihr Vater strahlte immer, wenn er Jill sah, und während sich die beiden begrüßten, nützte Alicia die Gelegenheit, um Mr. Rosszu erklären, warum sie telefonisch nie erreichbar war. In letzter Zeit gehe alles drunter und drüber, selbst E-Mail-Botschaften seien irgendwie untergegangen.
»He, ich bin Ihnen doch nicht böse«, erklärte er lächelnd und hob beschwichtigend beide Hände. »Hinter Ihnen sind schließlich ‘ne Menge Leute her. Und außerdem heiße ich Bernie.«
Ob es an Bernies Persönlichkeit lag, oder vielleicht doch eher daran, daß nicht nur ein, sondern gleich zwei vertrauenswürdige, schwarze Männer in der Nähe waren, Alicias Nervosität legte sich jedenfalls schnell. Sie bestellte sich einen Gin Tonic, dann tauschte sie mit Bernie die neuesten Witze aus, und schließlich suchten sie, wie immer, wenn zwei Angehörige der Schwarzen Bourgeoisie zusammenkamen, nach gemeinsamen Bekannten. Es war nicht zu leugnen, daß Bernie mit seinem bärenhaften Charme in diesem rasiermesserscharf durchgestylten Szenario so fehl am Platz wirkte wie ein Cowboy mit Brille. Aber auch Alicia gehörte nicht hierher, und sie würde auch nie in ein
Weitere Kostenlose Bücher