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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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sie ganz sicher: der Cosm wog nur noch die Hälfte der ursprünglichen 100 Kilogramm. Sie hatten die Messung dreimal wiederholt, es war nicht leicht, einen Gegenstand zu wiegen, der im Kraftfeld eines Magneten hing.
    »Verdammt, wie ist das möglich?« fragte Zak. Das›verdammt‹ ließ erkennen, wie erschöpft er war. »Wie konnte uns das entgehen?«
    »Woran hätten Sie es merken sollen?« fragte Max.
    »Er ist auch zwei Millimeter kleiner geworden«, sagte Alicia. »Der Radius steht also in keiner Beziehung zur Masse.«
    »Zur scheinbaren Masse«, verbesserte Max. »Das Gleichgewicht zwischen der positiven Massenenergie und der negativen Gravitationsenergie muß sich wohl unentwegt neu einpendeln. Das beunruhigt mich.«
    »Wieso?« fragte Zak. Sein schwarzes Haar war zerzaust. Er mußte dringend zum Friseur und schien seit Tagen nicht mehr in einen Spiegel geschaut zu haben. Vielleicht schien es auch nicht nur so.
    »Wenn das Universum am anderen Ende des Flaschenhalses altert, wird die Verbindung, nun ja, gedehnt. Die Schwankungen im gesamten Energiehaushalt dieser Verbindung – des Cosm, wie wir ihn sehen – werden stärker.«
    Alicia wagte eine Vermutung. »Und wenn er leichter werden kann, kann er auch schwerer werden.«
    »Richtig. Und wenn er groß genug wird, wird er gefährlich.«
    »Wenn er um einen Faktor zehn wächst …«, überlegte Zak laut.
    »Oder gar um einen Faktor hundert« – Max nickte –, »ist er womöglich nicht mehr zu halten und versinkt im Boden.«
    »Das ist nur Theorie«, warnte Alicia, aber es klang unsicher.
    »Ihre Messung ist real«, konterte Max.
    »Wenn wir schon von Gefahren sprechen, was ist, wenn der Cosm auch weiterhin kleiner wird?«
    »Dann verschwindet er irgendwann. Ende des Experiments.«
    Alicia richtete sich erschrocken auf. »Wie können wir das verhindern?«
    »Überhaupt nicht.« Max zuckte die Achseln – es sah fast schuldbewußt aus. »Ich habe auch Lösungen gefunden, nach denen die Masse mit der Zeit schrumpft. Offenbar haben wir hier so einen Fall. Aber die Erhaltung der Gesamtenergie ist ein ebenso kniffliger Vorgang, als wollte man einen Bleistift auf der Spitze balancieren.«
    Alicia spürte eine jähe Gereiztheit in sich aufsteigen und schämte sich dafür. Für den Physiker bestand das Universum aus Teilchen und Wellen oder, auf einer tieferen Ebene, aus dem Zusammenspiel von Kraftfeldern. Der Blick des Theoretikers drang noch weiter ins Innere vor, für ihn wurden die sich entfaltenden Symmetrien, die der Gott der Mathematiker angelegt hatte, auf verschiedenen, nicht zu erfassenden Energieniveaus beibehalten oder gebrochen. Beiden bot sich ein ziemlich beängstigendes Bild, die Abstraktion eines brodelnden Hexenkessels, von Strahlung durchschossen, von Raumzeitverzerrungen und Masseansammlungen geschüttelt. Für Alicia persönlich war die Physik dagegen eine sinnliche Erfahrung, kein immaterielles Labyrinth aus versponnenen Ideen.
    Zak nickte ernst und zog seine modischen Schlabberhosen hoch. »Wir müssen also vorsichtig sein …«
    »Und wachsam«, fügte Max hinzu. »Ich kann hier leider so gut wie keine Vorhersagen machen.«
    »Dann müssen wir das Ding auf Teufel komm raus studieren, solange wir es noch haben«, sagte Alicia.
     
    Mit der Erscheinung des Aufsatzes in Physics Letters brach ein Sturm los. Es war, als sei die gesamte Wissenschaftlergemeinde durch die Katastrophe in Brookhaven scharfgemacht und in eine metastabile Phase versetzt worden, um nun wie ein Laser bei der leisesten Resonanzschwingung einen grellen Lichtschwall abzugeben.
    Die Theoretiker stellten sofort eigene Erklärungen der beiden Kugeln in die hellerleuchteten Schaukästen desInternet. Eine Pseudo-Veröffentlichung in diesem Medium hatte beträchtliche Vorteile: man sicherte sich die Anerkennung für eine Idee, ohne eine Begutachtung abzuwarten. Die kam, wenn überhaupt, sehr viel später; manche Arbeiten verschwanden ganz lautlos in der Versenkung, weil jemand hinter den Kulissen die Fehler ausfindig gemacht hatte.
    Herbert Himmel von der Universität von Chicago publizierte im Netz einen Aufsatz, in dem er die Kugeln als ›eine Klasse von Lösungen der N-dimensionalen Stringtheorie‹ interpretierte. Er fand es nicht einmal der Mühe wert, die Zahl N genauer zu definieren – Theoretiker opferten gern auf dem Altar der Großen Generalisierung –, präsentierte aber analytische Lösungen, die Max’ Interpretation zweifelhaft erscheinen ließen. Alicia klinkte

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